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  • Max Frisch. Sein Werk im Kontext der europäischen Literatur seiner Zeit ed. by Régine Battiston and Margrit Unser
  • Jeroen Dewulf
Max Frisch. Sein Werk im Kontext der europäischen Literatur seiner Zeit. Edited by Régine Battiston and Margrit Unser. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2013. Pp. 324. €39.80. ISBN 978-3826047503.

Im Mai 2011 wäre Max Frisch hundert Jahre alt geworden. Das Datum gab Anlass zu einer Reihe von Neuerscheinungen über das Leben und Werk des 1991 verstorbenen Schweizer Autors. Mit Mein Name ist Frisch legte etwa Beatrice von Matt einen Essay Band mit persönlichen Erinnerungen vor, der belgische Germanist Daniel de Vin gab den Tagungsband Max Frisch—Citoyen und Poet heraus und beim Suhrkamp Verlag erschienen gleich zwei Bände: Volker Hages Fotobuch Max Frisch—Sein Leben in Bildern und Texten sowie Julian Schütts viel beachtete Studie Max Frisch—Biographie eines Aufstiegs. Bekanntlich bricht Schütts Biographie 1954 ab, das Jahr, in dem Frisch mit dem Roman Stiller endgültig der Durchbruch gelang. Schütts Schlusssatz [End Page 468] “Das war ein Anfang, den ließ er gelten” bildet somit eine Brücke zu dem von Régine Battiston und Margit Unser herausgegebenen Band mit Aufsätzen, die aus zwei im Mai 2011 in Mulhouse und Zürich organisierten Frisch-Tagungen hervorgegangen sind und die das Werk des Autors auch immer wieder mit dessen Biographie verknüpfen.

Das Ziel des Bandes ist, das Werk von Frisch im Kontext der europäischen Literatur seiner Zeit (neu) zu interpretieren. Diesen Anspruch können Beiträge eines einzigen Sammelbandes selbstverständlich nur partiell erfüllen, umso mehr da einige Forscher auch den Einfluss älterer Werke sowie außereuropäischer Autoren in ihre Analyse einbeziehen. Deswegen ist es zu bedauern, dass das kurz ausgefallene Vorwort nicht zum Anlass genommen wurde, die Breite des Themas wenigstens zu skizzieren. Stattdessen beschränken sich die Herausgeberinnen auf eine Zusammenfassung der einzelnen Beiträge, die sie zudem am Schluss des Bandes wiederholen. Ob das Buch, wie die Herausgeberinnen unbescheiden behaupten, tatsächlich zu einem “Meilenstein in der aktuellen Frisch-Forschung” werden wird, bleibt abzuwarten. Zu Recht weisen sie allerdings darauf hin, dass eine kontrastive Studie mit anderen Autoren und Werken in der bisherigen Frisch-Forschung selten unternommen worden ist. Einige Beiträge zeigen denn auch, dass eine solche Perspektive zu neuen Einsichten führen kann. Dies gelingt insbesondere Andreas Kilchers brillanter Analyse des Romans Stiller. Basierend auf Frischs klassischem Konzept von Bild und Wiederholung, versucht Kilcher, die „Stillerische Bibliothek“ zusammenzusetzen. Anhand von neuen Quellen—etwa zu den Figuren Jim Larkin White und Rip van Winkle—liefert er eine neue Interpretation des Romans. Seine (nach Genette) “transtextuelle” Analyse führt vor, wie sehr die textuelle Zirkulation von Geschichten und Zitaten in der Gesamtstruktur des Romans verankert ist. Besonders einleuchtend ist Kilchers Interpretation der doppelt narrativen Inszenierung der Wiederholungsfigur Rip van Winkle, zu Recht als „Revenant” bezeichnet, zumal dieser französische Begriff—der im Schweizer Kontext besonders mit Adrien Turel in Verbindung gebracht wird—sowohl Rückkehrer wie Gespenst bedeuten kann. Möglicherweise ließe sich der Stillerschen Bibliothek auch Lessings Nathan der Weise hinzufügen, erinnert die Stelle “Sie erzählen mir Märchen—Märchen!—und damit soll ich Sie verteidigen” doch unverkennbar an Nathans Versuch, angesichts der Unmöglichkeit, die Wahrheit in Worte zu fassen, ein Märchen zu erzählen und—wie in Stiller—parabelhaft auf die eigene Situation zu verweisen.

Der Beitrag von Melanie Rohner über intertextuelle Bezüge zwischen T.S. Eliots und Frischs Erzählwerk der fünfziger Jahre bietet insofern einen neuen Zugang, als mit Konzepten aus der postkolonialen Kritik Frischs problematisches Bild außereuropäischer Völker herausgearbeitet wird. Eine kritische Perspektive ist umso nötiger bei einem Autor, der noch bis in die fünfziger Jahre an bestimmten Wahnideen der Rassentheorien des neunzehnten Jahrhunderts festhielt und etwa in Orchideen und Aasgeier (1951) über die hybride Identität der mexikanischen Bevölkerung berichtete: [End Page 469] „Es soll Ehen geben, unselige, wo jeder Teil nur verliert, was er an Segnungen hatte, und jeder Partner kann vom andern nur das Miese übernehmen—Indianer und Spanier scheinen mir eine solche Ehe zu sein...

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