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  • History in the Plural: An Introduction to the Work of Reinhart Koselleck by Niklas Olsen
  • Stefan Jordan
History in the Plural: An Introduction to the Work of Reinhart Koselleck. By Niklas Olsen. New York: Berghahn, 2012. Pp. viii + 338. Cloth $95.00. ISBN 978-0857452955.

Das Interesse an Reinhart Koselleck (1923–2006) und seinem Werk hat in den letzten Jahren unter den Vorzeichen einer Neuen Kulturgeschichte beachtlich zugenommen. So wurde die von Koselleck noch selbst im Jahr 2003 begonnene Edition seiner Aufsätze auch nach seinem Tod fortgeführt. Sammelbände über ihn wurden veröffentlicht, Hauptwerke in Fremdsprachen übersetzt, zahlreiche Tagungen zur (mittlerweile auch international vergleichenden) Begriffsgeschichte und zur Sattelzeit organisiert sowie eine nach Koselleck benannte „International Doctoral School of Conceptual History“ in Temesvar (Rumänien) eingerichtet. Gleichwohl steht ein Überblick über die Biografie und das Schaffen Kosellecks noch aus. Niklas Olsens Studie, die als Dissertation am European University Institute in Florenz entstand, betritt also gewissermaßen Neuland.

Das Buch des Dänen Olsen ist ausdrücklich nicht als Biografie, sondern als chronologisch strukturierte Werkanalyse angelegt und widmet demgemäß dem Leben Kosellecks nur ein kleines einführendes Kapitel, in dem der Verfasser allerdings Impulse benennt, die maßgeblich für Kosellecks Schaffen geworden seien. So habe zunächst die Erfahrung von Krieg und Gefangenschaft Kosellecks Leben geprägt. Bedeutende Einflüsse seien dann von Denkern ausgegangen, mit denen Koselleck in seiner Heidelberger Studienzeit in Kontakt kam: Martin Heidegger, Karl Löwith, Hans-Georg Gadamer, der Doktorvater Johannes Kühn und vor allem Carl Schmitt.

In Anlehnung an sie und in Abgrenzung besonders zu Friedrich Meineckes historistischer Geschichtskonzeption habe Koselleck 1954 seine Dissertation Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt verfasst. In dieser Arbeit vertrat Koselleck, so Olsen, Thesen, die ihn auch später geleitet hätten: Zum einen beurteilte er Französische Revolution und Aufklärung zwiespältig als emanzipatorische Leistung einerseits, aber moralische Bevormundung bis hin zum Terror andererseits; zum anderen habe er in methodologischer Hinsicht eine Mischung textorientierter Forschung mit der Analyse sozialhistorischer Kontexte entwickelt. Die kritische Sicht auf die Moderne, die sich später in Kosellecks Sattelzeitbegriff manifestierte, und das Konzept von Begriffsgeschichte als Sozialgeschichte sind hier klar erkennbar.

Kosellecks Habilitationsschrift Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines [End Page 234] Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848 zeige eine Distanzierung von Schmitt, habe sozialhistorische Anregungen Werner Conzes aufgegriffen und sei nicht mehr so kontrovers angelegt wie die Dissertation. Sie falle in eine Schaffensphase, in der Koselleck vor allem die Begriffsgeschichte und die Bedeutung des Zeitdenkens zu seinen zentralen Themen gemacht habe. Gerade in der Theorie historischer Zeiten sieht Olsen Kosellecks höchstes wissenschaftliches Verdienst und widmet ihr besondere Aufmerksamkeit, indem er eine Reihe wichtiger Aufsätze zu diesem Thema analysiert, die mehrheitlich in den 1970er Jahren entstanden sind und in Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten 1979 publiziert wurden. Olsen kontextuiert Kosellecks Schaffen dabei vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Koselleck und seinem Bielefelder Kollegen Hans-Ulrich Wehler sowie dessen sozialgeschichtlichem Konzept. Aufgrund seiner starken Theorieorientierung und seiner Distanz zur Gesellschaftsgeschichte sei Koselleck immer mehr in die Rolle des geschichtswissenschaftlichen Außenseiters geraten—eine Rolle, in der er sich selbst schon länger gesehen habe.

Als Abschluss seines Werküberblicks widmet sich Olsen Kosellecks Arbeiten zum politischen Totenkult und zur Mahnmalskultur, die bereits in den 1970er Jahren eingesetzt, aber vor allem die letzten beiden Lebensjahrzehnte bestimmt hätten. Olsen sieht in diesen Arbeiten einen Bruch mit Kosellecks früheren Ansichten. Seien diese vom Prinzip der Pluralität der Geschichten und der historischen Diskurse (History in the Plural) geprägt gewesen, so habe er in den Arbeiten zur Memorialkultur das „veto-right of the personal experience“ zum Anschlag gebracht. Dieser Wandel muss, so Olsen, vor dem Hintergrund von Kosellecks eigenen Kriegserfahrungen gedeutet werden.

Mit History in the Plural liegt die erste profunde Gesamtbewertung von Reinhart Kosellecks Werk vor. Sie zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass sie die Hauptwerke Kosellecks und seine Arbeit an den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ detailliert analysiert und in den Gesamtkontext des Koselleckschen Schaffens einordnet. Zum anderen benennt Olsen Inspirationsquellen und prägende Impulse für dieses Schaffen und zeigt deren Nachwirken in den untersuchten Schriften...

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