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  • Fighting for the Soul of Germany: The Catholic Struggle for Inclusion after Unification by Rebecca Ayako Bennette
  • Wilfried Loth
Fighting for the Soul of Germany: The Catholic Struggle for Inclusion after Unification. By Rebecca Ayako Bennette. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2012. Pp. x + 368. Cloth $49.95. ISBN 978-0674065635.

Die deutschen Katholiken waren nie die „Reichsfeinde,“ als die sie von Bismarck und den liberalen Kulturkämpfern porträtiert wurden. Bei allen großdeutschen Sympathien stellten sie sich nach der Entscheidung von 1866 bemerkenswert zügig und entschlossen auf das kleindeutsche Reich unter preußischer Führung ein und suchten dort ihren Platz zu behaupten. Das ist in der Forschung seit langem bekannt, und insofern rennt Rebecca Ayako Bennette mit ihrer Studie über das katholische Streben nach Integration in den ersten Jahren nach der Reichsgründung ein wenig offene Türen ein. In den neueren Arbeiten zur Konstruktion nationaler Identität kommen die Katholiken allerdings kaum vor. In der Regel werden sie nur als ein Element negativer Integration wahrgenommen, als Gegner, an denen sich die Förderer des Reichsbewusstseins abarbeiteten.

Hier schließt Bennettes Arbeit eine empfindliche Lücke. Indem sie das katholische Reden über Nation und Deutschtum in den Jahren zwischen der Reichsgründung und dem Abklingen des Kulturkampfs 1878 im Detail rekonstruiert, kann sie zeigen, dass der Kulturkampf keineswegs nur desintegrative Wirkungen hatte. Im Gegenteil: [End Page 187] Durch die Kulturkampfmaßnahmen und die Angriffe von liberaler Seite sahen sich die Katholiken herausgefordert, ihre Identifikation mit der Nation und mit dem Reich in besonderem Maße herauszustellen. Dabei entwickelte der mainstream des deutschen Katholizismus ein durchaus eigenständiges Verständnis von nationaler Loyalität. Gleichzeitig wirkten die Katholiken mit ihrem Verhalten stilbildend für die Integration unterschiedlicher Gruppen in die eine Nation des deutschen Kaiserreichs.

Dem Kaiserreich-Gedanken kam dabei eine Schlüsselrolle zu: Er ermöglichte es den deutschen Katholiken, über die preußische Dominanz großzügig hinwegzusehen und den neuen deutschen Staat als Reinkarnation des mittelalterlichen Kaiserreichs zu begrüßen, in dem die noch ungespaltene Christenheit die einzig legitimierende Kraft dargestellt hatte. Die Katholiken erschienen damit als die eigentlichen Träger des Reichsgedankens, dazu berufen, das Reich nicht nur gleichberechtigt mitzugestalten, sondern es letztlich zu führen. Jedenfalls erscheint die Beachtung der moralischen Grundsätze der katholischen Kirche in der „Germania“ und der „Kölnischen Volkszeitung“ als den wichtigsten Presseorganen des deutschen Katholizismus stets als Voraussetzung für die Stärke der neuen Nation, und die liberale Distanzierung von diesen Prinzipien wird als Ursache für ihre Schwächung wahrgenommen. Der Kulturkampf wird in dieser Perspektive nicht nur als Kampf um die Stellung und den Einfluss der katholischen Kirche verstanden, sondern auch als Kampf um die Stärke und die Geltung der deutschen Nation. Deutschland hatte durch die Einigung die führende Stellung in Europa errungen; diese galt es jetzt nicht durch Attacken auf die katholische Kirche und das Christentum zu gefährden.

Diese Sichtweise erklärt auch, wieso sich die deutschen Katholiken selbst durch die schärfsten Maßnahmen des Kulturkampfs nicht von ihrer Identifikation mit dem Reich abbringen ließen. Während sie Bismarcks Politik von Anfang an bekämpften, gingen sie zum Kaiser erst 1874 auf Distanz, als dessen Vorwurf (in einem Schreiben an den Papst) bekannt wurde, sie seien in „Machenschaften gegen den Staat“ verwickelt. Diese Distanzierung hielt aber nicht lange an. Sobald Wilhelm I. 1876 Kritik an der Verletzung religiöser Gefühle durch die Liberalen äußerte, setzten die Vertreter des politischen Katholizismus ihre Hoffnungen wieder ganz auf ein Bündnis mit den konservativen Protestanten.

Die Kaiserreich-Metapher half den Katholiken auch, ihre Verwurzelung in regionalen Traditionen fernab vom preußischen Zentrum mit den unvermeidlichen Zentralisierungstendenzen des Reiches in Einklang zu bringen. Auch hier gingen sie wieder in die Offensive, indem sie die Vielfalt zur unabdingbaren Voraussetzung der Stärke erklärten und die Beseitigung regionaler Eigenheiten als undeutsche Gleichmacherei bekämpften. Die Stärke der Nation definierten sie in erster Linie moralisch. Rohe Gewalt, wie sie sie im preußischen Militarismus und im Vorgehen der Polizei gegen katholische Geistliche und Laien am Werke sahen, gefährdete in ihrer Wahrnehmung die führende Stellung des Reiches...

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