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  • Friedrich Schiller und die Niederlande. Historische, kulturelle und ästhetische Kontexte herausgegeben von Christian Moser, Eric Moesker und Joachim Umlauf
  • Peter Höyng
Friedrich Schiller und die Niederlande. Historische, kulturelle und ästhetische Kontexte. Herausgegeben von Christian Moser, Eric Moesker und Joachim Umlauf. Bielefeld: Aisthesis, 2012. 186 Seiten + 4 s/w Abbildungen. €29,80.

Dieser schmale Band entwuchs einem gleichnamigen Amsterdamer Symposium aus Anlass von Schillers 250. Geburtstag und enthält nicht weniger als neun Beiträge, die hinsichtlich ihrer Zielsetzungen und Ansprüche reichlich divergieren. Eric Moeskers Beitrag liefert dankenswerterweise einen kursorischen Überblick über alle Werke Schillers, in denen er sich inhaltlich mit den Niederlanden auseinandersetzte, was bedeutet: Schiller verfasste eben nicht nur seine Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung (1788) oder bezog sich indirekt im Don Carlos auf den Freiheitskampf der Niederlande (1787), sondern er entwarf als Drama auch Die Gräfin von Flandern, schrieb als Gelegenheitsarbeit “Der Herzog von Alba bey einem Frühstück” (1788) und widmete sich schließlich dem nördlichen Nachbarland auch in seinem Gedicht “Die unüberwindliche Flotte,” worin abermals die Dominanz der spanischen Habsburger kritisch dargestellt wird.

Doch verwundert es nicht weiter, dass die historische Abhandlung zum Abfall der Niederlande, die trotz ihres Umfangs Fragment blieb, gleich dreimal das Interesse der Vortragenden auf sich zog. Umso mehr staunt man über die drei thematisch abseits wirkenden Essays von Norbert Oellers, Josef Früchtl und Barber van de Pol. Während der in der Schiller-Forschung bekannte und verdiente Norbert Oellers sich die Freiheit erlaubte, einen bereits veröffentlichen Beitrag zu erweitern und allgemeine Thesen zu Schillers Wesen der Kunst scheinbar spielerisch vorzutragen, kritisiert Josef Früchtl angesichts des semantisch ausgeweiteten Begriffs der Kultur die dadurch vorgenommene Umpolung des Begriffs, indem er Terry Eagletons Gedanken aufgreift, Kultur [End Page 712] als neue Variante der Barbarei zu verstehen, insofern Kulturen (im Plural) als nicht vermittelbare Dispositive aufgefasst werden. Früchtl bereichert die gegenwärtige These von der Kultur als einer barbarischen, indem er diesbezüglich an Schillers geschichtsphilosophische Kritik gemahnt: “Schiller meint das Reich der (einseitigen, strikten, moralischen) Vernunft, wir dagegen meinen heute umgekehrt das Reich der unreflektierten [ . . . ] Praktiken” (160).

Analog zu Schillers in einer Person vereinten unterschiedlichsten Rollen, nämlich denen eines philosophischen, historischen, ästhetischen, dramatischen und bühnenpraktischen Schriftstellers, reiht sich der persönlich gefärbte Beitrag von Barber van de Pol ein. In ihrem Aufsatz berichtet sie erzählend von den Herausforderungen als Übersetzerin der Maria Stuart (1991) und vergleicht ihre eigene Arbeit dazu mit den fünf Vorgängerübersetzungen ins Niederländische dieses Dramas, wobei sie auch grundsätzliche Gedanken über die Natur des texttreuen und integralen Übersetzens einfließen lässt, welches in den Niederlanden “noch ziemlich jung” sei (182).

Anton van der Lem wertet Schillers Geschichtsdarstellung zum niederländischen Aufstand gegen die spanischen Habsburger trotz erweiterter Quellenlage “noch immer [als] beispielhaft in der ganzen Reihe der Aufstandsgeschichten” (48). Den Grund hierzu sieht er darin, dass Schillers einjährige Arbeit am Quellenmaterial ihn nicht vergessen ließ, die oppositionell Agierenden und geopolitisch sich widerstreitenden Positionen—trotz seiner eindeutigen Sympathien für die Aufständischen—scharf herauszukristallisieren, um sie als Tragödiendichter einander gegenüberzustellen: er führe einen Konflikt “zwischen Recht und Recht” vor (65).

Thomas Prüfer widmet sich nicht weniger ausführlich Schillers Debut als Historiker, indem er die Besonderheiten der niederländischen Republik innerhalb von Schillers universalhistorischem Denken einer Menschheitsgeschichte einordnet und dabei gleich sechs Aspekten nachgeht.

Daran anschließend steuert Thomas Moser einen höchst lesenswerten und faszinierenden, weil unvermuteten Vergleich zwischen Kleists Komödie Der zerbrochene Krug und Schillers besagter Geschichtserzählung bei. Die Brücke dieser so unverhofften Paarung ergibt sich nicht deshalb, weil Kleists Drama in den Niederlanden angesiedelt ist, sondern weil Moser kongenial den Horizont über die semantische Ausweitung des “Begriffs Fall” eröffnet. Moser führt den Ab-fall der Niederlande (Schiller) und Kleist’schen Rechtsfall als “Sündenfall des Rechts und als ein[en] politische[n] Fall staatlicher Korruption” (99) nicht nur thematisch auf einander zu, sondern—man staunt und folgt den Nachweisen nur zu gern—sieht den “Fall” auch in beiden Werken als formal-ästhetisch steuerndes Element. Schiller verstehe sich als Untersuchungsrichter und konzipiere...

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