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  • Der Grund. Das Feld des Sichtbaren herausgegeben von Gottfried Boehm und Matteo Burioni
  • Erna Fiorentini
Der Grund. Das Feld des Sichtbaren. Herausgegeben von Gottfried Boehm und Matteo Burioni. München: Fink, 2012. 490 Seiten + zahlreiche s/w und farbige Abbildungen. €59,00.

“Weit davon entfernt, lediglich eine zentrierende Folie für die Figur abzugeben, ist der Grund als zeitliches Geschehen anzusehen, das selbst zur Figur werden kann” (138). Der Grund kann aber noch viel mehr, nämlich zur Denkfigur werden, die sowohl inhaltlich als auch disziplinär und zeitbezogen changierende Konnotationen aufweist. Das von Gottfried Boehm und Matteo Burioni herausgegebene Buch nimmt sich vor, die komplexen Implikationen dieser Denkfigur im Reich des Sichtbaren und des Bildlichen zu untersuchen, um herauszufinden, “worin genau [ . . . ] die Rolle des Grundes im Bild [besteht] und welchen Modifikationen [ . . . ] sie unterworfen war” (12) und ist. Während der Diskussionen in einem gleichnamigen Kolloquium im Schaulager Basel am 22.–24. Januar 2009 und ausgehend von der Erörterung des Begriffes campo in der Malerei der italienischen Renaissance (Matteo Burioni) “legten sich [ . . . ] schnell Kreise um Kreise weiterführender Argumente und Beobachtungen, die sich auf ein interdisziplinäres Terrain hin erweiterten” (12).

Mit seinem interdisziplinären Gerüst hat auch das aus dem Basler Treffen hervorgegangene Buch eine Struktur gefunden, die eine Antwort auf die methodische Frage gibt, ob sich der Grund “wissenschaftlich erschließen [lässt] und warum [ . . . ] das überhaupt versucht werden” sollte (11). In siebzehn Beiträgen, die Aspekte der Philosophie, der Sprache, der Literatur und des Theaters bis hin zu Fragen der Kalligraphie erörtern, wird versucht, die Komplexität des Begriffes, dessen Charakterzüge und Bedeutungen vielen theoretischen, praxis- und ideenhistorischen sowie interpretatorischen Variablen unterworfen sind, anhand der “unterschiedlichen Erscheinungsweisen des Grundes in der Geschichte der Bilder” (12) vor Augen zu führen.

Ziel und Ergebnis ist “eine kartographische Skizze, welche die begangenen und zukünftig begehbaren Wege verzeichnet” (14) und somit eine nicht nur inhaltliche, sondern dezidiert auch methodische Aussage trifft. Als originäres, in der Forschung kaum anvisiertes Prozedere zieht dabei die Gesamtargumentation ihre Schlüsse aus der Begriffsgeschichte und zugleich aus der Bildanalyse. Das Konzept des “ikonischen Kontinuums” (Gottfried Boehm) stellt die Klammer zwischen beiden Bereichen dar und bietet Begrifflichkeiten und Vorgehensweisen für eine “Genealogie des Bildgrundes und dessen methodischen Einbezug in die Werkanalyse” (12).

Die Grundstruktur des Buches ordnet die Beiträge in epochenbezogene Gruppen, die Aspekte des Grundes jeweils in der Frühen Neuzeit, um 1800 und in der Moderne und Gegenwart beleuchten. Diese Anordnung ist durchaus sinnvoll, denn sie erlaubt es, verschiedene Konfigurationen des Grundes in ihrer zeitbedingten Beschaffenheit wahrzunehmen und zugleich deren theoretische und praktische Modifikation—oder aber Konstanz—zu verfolgen. Diese methodische Wahl ist zudem nachvollziehbar, weil die Semantik des Grundes “gleichzeitig tief und breit verwurzelt ist” (12), weshalb der Begriff des Grundes “seine Tragweite und wissenschaftliche Aufschlusskraft” nur dann enthüllen kann, wenn “man seine ganz unterschiedlichen Funktionen beachtet” (12).

Das Buch macht aber auch eine der historischen Dimension übergeordnete Aussage, die sich aus seiner inneren Kohärenz ergibt. Diese Kohärenz resultiert aus der allen Beiträgen gemeinsamen bildtheoretischen Dimension, die die begriffshistorische [End Page 695] mit der bildanalytischen Komponente verbindet. Diese übergeordnete theoretische Aussage kann nur aus einer Gesamtbetrachtung und einer Kombination der Einzelaussagen der Beiträge abgeleitet werden. Der einleitende Beitrag (Gottfried Boehm / Matteo Burioni) liefert einen nützlichen und nachvollziehbaren Leitfaden für diese Ableitung. Mit der Feststellung “Nichts ist ohne Grund” zeigt der Beitrag auf die qualitative Vielfalt des Begriffes und zeichnet zugleich die für die Ausarbeitung seines theoretischen Potentials verfolgte methodische Richtlinie vor. In der Gesamtschau arbeitet das Buch mehrere Eigenschaften vom “Grund selbst” (10) heraus, vor allem durch die Analysen des semantischen Feldes (Matteo Burioni, Gottfried Boehm, Wolfram Pichler, Lothar Ledderose), die die “Ausgangskonstellationen” (28) des Grundes aufzeichnen. Diese Analysen breiten ein Spektrum von Grundbegriffen aus, die in verschiedenen historischen Phasen eine Neuaufzeichnung und Neuaneignung erfahren, wie die Beiträge von Thomas Leinkauf, Hans Adler, Ralf Simon und Arno Schubbach für das 17. und 18. Jahrhundert sowie von Günter Figal für das 20. Jahrhundert es unter verschiedenen Blickwinkeln diskutieren. Die speziell auf die Bildanalyse gerichteten Beiträge (Nicola Suthor, Claudia Blümle, Sebastian...

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