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  • Komik, Pantomime und Spiel im kulturellen Kontext. Clemens Brentanos Lustspiel “Ponce de Leon” im Lichte chinesischer Theatertraditionen by Xiaoqiao Wu
  • Weijia Li
Komik, Pantomime und Spiel im kulturellen Kontext. Clemens Brentanos Lustspiel “Ponce de Leon” im Lichte chinesischer Theatertraditionen. Von Xiaoqiao Wu. Berlin: Erich Schmidt, 2012. 279 Seiten. €49,80.

Mit dieser Studie beabsichtigt Wu zwei Forschungslücken zu füllen. Die erste betrifft die Vernachlässigung von Brentanos Werken und besonders die “stark vernachlässigt[e]” Erforschung der Komödien der deutschen Romantiker in der chinesischen Germanistik. Weiterhin wünscht Wu ein Forschungsdesiderat in der deutschen und der angelsächsischen Romantikforschung aufzuarbeiten, indem er eine Untersuchung von Brentanos Ponce de Leon in Bezug auf die ästhetischen Wirkungen der Situationsund Sprachkomik, der pantomimischen Qualität und der Spielhaltungen des Stücks durchführt. In einer interkulturellen, deutsch-chinesischen Perspektive sieht Wu die Möglichkeit, beide Ziele in eins zu bringen. Trotz seiner soliden umfangreichen Recherche, insbesondere der Berücksichtigung der neuesten Forschungen der chinesischen Theatertheoretiker, weist diese ehrgeizige Studie gravierende strukturelle bzw. konzeptionelle Schwächen auf.

Im Kapitel 1—zugleich Einleitung des Buches—zeigt sich, dass der Autor diese zwei Forschungsziele in den interkulturellen Ansätzen der klassischen Komparatistik zu verbinden sucht. Laut Wu sollte seine Studie als ein Versuch dienen, Komik, Pantomime und Spiel in Brentanos Lustspiel Ponce de Leon durch die Perspektive der chinesischen Theatertradition, insbesondere durch das Einbeziehen der Dramentheorie von Li Yu (1611–1680), zu “beleuchten” (17). Er betont die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der eurozentrischen Tendenz in der Brentano-Forschung und proklamiert in diesem Kontext eine Art “Umorientierung zum Osten” (17). Diese [End Page 507] lobenswerten, beinah revolutionär wirkenden Forderungen nach neuen Forschungsorientierungen werden im Lauf dieser Studie von dem Autor selbst leider nur wenig beachtet. Das liegt sowohl an der ungenügenden Beachtung der Differenzen zwischen den Lachkulturen unterschiedlicher Nationen als auch an der unkritischen Übernahme der europäischen Kategorisierung der chinesischen Theater- und Opernkunst. Hinzu kommt die ungenügende Textanalyse hinsichtlich Brentanos Dramentheorie.

Nach einer Darstellung der neueren Brentano-Forschungen im Allgemeinen fängt Wu in Kapitel 2 mit einer ausführlichen handbuchartigen Beschreibung der Entstehungs-, Editions- und Aufführungsgeschichte von Ponce de Leon an, gefolgt von der zeitgenössischen Rezeptionsgeschichte und der Forschungsgeschichte des Stücks. Eine Zusammenfassung von Brentanos Theaterkritik und Komiktheorie dient als Schluss des zweiten Kapitels. Wus Auslegung von Brentanos Komiktheorie und insbesondere dessen Auseinandersetzung mit Lustspieltheorie liest sich an einigen Stellen wie eine Auswahllektüre statt literaturwissenschaftlicher Diskussion. Dies wird hauptsächlich verursacht durch überlange Zitate (15 bis 25 Zeilen) aus Brentanos Briefen und Aufsätzen, die kaum mit weiterer Analyse bzw. Interpretationen ausgeführt und oft nebeneinander gehäuft werden (52, 61–63, 76–77, etc.). Die unzureichende Diskussion von Brentanos Komiktheorie bietet daher keine hinlängliche Grundlage für Wus weitere komparatistische Diskussion mit Einbeziehen der chinesischen Theater-tradition.

Als eine Einführung zur Diskussion der europäischen Lachkultur erwähnt Wu im Kapitel 3 leider nur ungenügend die kulturbedingte Funktion der Komik in der Theaterkunst. Aus einer interkulturellen Perspektive erkennt er zwar die Wichtigkeit der Analyse der Komik der Fremdheit bzw. der Komik aus einer fremden Kultur, jedoch fehlt seiner Diskussion der Komik gerade die von ihm selbst zuvor für notwendig erklärte Auseinandersetzung mit der eurozentrischen Tendenz, die sonst diese vorliegende Studie sowohl in literaturkritischer als auch in kulturwissenschaftlicher Hinsicht erheblich bereichern könnte. Ebenfalls erwähnt Wu zum Schluss seiner Darstellung der europäischen Lachkultur zwar die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den verschiedenen Lachkulturen (89), bedauerlicherweise jedoch, ohne sie—trotz der unmittelbaren thematischen Verbindungen zwischen Komik und Lachkulturen—auszuführen.

In Kapitel 4 bietet Wu schließlich eine einigermaßen zufriedenstellende Text-analyse des Stückes Ponce de Leon von Brentano. Ihm gelingt es, “die Konzeption von Liebe als ein Verhältnis von Herr und Diener” als den roten Faden des Stücks zu identifizieren (144). Wu behauptet, dass dieser rote Faden “erstaunlicherweise” die Verbindung zwischen Brentanos Lustspiel und den chinesischen Komödientraditionen bzw.–theorien darstellen sollte (145). Dieses von Wu bis jetzt ganz grob als “Verbindungen” bezeichnete Verhältnis zwischen Brentanos Ponce de Leon und der chinesischen Theaterkunsttheorie dient als das Hauptthema des folgenden Kapitels.

Kapitel 5...

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