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Reviewed by:
  • Allein in die Fremde. Kindertransporte von Österreich nach Frankreich, Großbritannien und in die USA 1938–1941 by Gerda Hofreiter
  • Nele Hempel-Lamer
Gerda Hofreiter, Allein in die Fremde. Kindertransporte von Österreich nach Frankreich, Großbritannien und in die USA 1938–1941. Innsbruck: Studienverlag, 2010. 133 S.

Dieses aus einer Diplomarbeit im Fach Geschichte hervorgegangene Buch besticht durch die in ihm demonstrierte solide Recherche und Forschung. Überraschend ist dabei im Vergleich zu konventionellen historischen Studien über die NS-Zeit das Ausmaß von Offenheit und Ehrlichkeit, mit dem die [End Page 150] Autorin ihre eigene Erzählposition freilegt, und Betroffenheit und Mitgefühl für diejenigen, denen ihr Forschungsinteresse gilt, an den Tag legt. Bedenkt man, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Studie auf Zeitzeugenberichte und persönliche Materialien stützt, die der Autorin direkt von noch lebenden, durch den Kindertransport in Sicherheit gebrachten Personen zugänglich gemacht wurden, dann verwundert es sicherlich nicht, dass die Präsentation faktischer Information in Gerda Hochreiters Studie immer wieder mit Anteilnahme vermischt ist: Die Autorin sagt in ihrer Einleitung selbst, dass ihr die Zeitzeugen “durch den intensiven Austausch ans Herz gewachsen” (13) sind. Während Hofreiters Diplomarbeit sich hauptsächlich den weitgehend unerforschten Kindertransporten von Österreich in die USA widmete und damit eine Forschungslücke füllte, hat die Autorin für das vorliegende Buch das Thema ausgeweitet und gibt auch über Transporte nach Frankreich, Holland, und Großbritannien sowie Transporte durch die Jugendalija nach Palästina Auskunft. Enstanden ist somit ein Buch, dass all denjenigen, die sich allgemein über die Kindertransporte aus Österreich zu informieren wünschen, ein umfassendes Bild über die historischen Hintergründe der Transporte zu vermitteln vermag, nämlich das unbedingt notwendige Mitwirken verschiedener Hilfsorganisationen und ausländischer Regierungen und schließlich auch das persönliche Leid, das an exemplarisch geschilderten Einzelschicksalen ablesbar ist. Anhand der aufgeführten Titel in der vierseitigen Bibliographie, die leider nicht alle in den vielzähligen Anmerkungen zitierten Bücher und Quellen erfasst, lässt sich bereits auf das politische Dilemma der Aufnahmeländer schließen, das Gerda Hofreiter dann an verschiedenen Stellen des Buches ausführlicher in Bezug auf die jeweilige Aufnahmebereitschaft von jüdischen Kindern thematisiert, wobei sie allerdings ihre österreichische Nationalität als Hinderungsgrund empfindet, strenger mit der auch alleinreisenden Kindern gegenüber restriktiven Visums- und Einwanderer-politik des Aufnahmelandes USA ins Gericht zu gehen: “[F]ür eine Angehörige des schuldtragenden Volkes ist es unpassend, Fragen an eine Nation zu stellen, die auf diese Schuld zu zögerlich reagiert hat” (109). Die Publikationsdaten in der Bibliographie weisen überdies auf die Tatsache hin, dass eine Aufarbeitung dieses spezifischen Themas—einschließlich der oft unangenehmen Implikationen für unterlassene Hilfeleistungen gegenüber den jüdischen Flüchtlingen—erst in den letzten zwanzig Jahren wirklich begonnen hat; nur sieben der insgesamt vierundvierzig aufgelisteten Quellen stammen aus den achtziger Jahren und eine einzige Quelle ist von 1976. Vorbildlich ist [End Page 151] Hofreiters Forschung besonders dort, wo Archivmaterial eingesehen und in Detektivarbeit ausgewertet wird, ob es sich bespielsweise um den Nachweis handelt, dass der Brit-Sholom-Transport von Österreich in die USA in der statistischen Aufstellung aller von der Wiener Kultusgemeinde im Jahre 1939 abgefertigten Kindertransporte fehlt (Fußnote 140, 46), oder um die exakte Sequenzierung der zahlreichen bürokratischen Schritte, die zwischen dem wiederholten Bemühen um einen Kindertransportplatz bis zur tatsächlichen Ausreise eines Kindes einzuhalten waren. Immer wieder wird schockierend deutlich, wie sehr das Leben der Kinder bis zum tatsächlichen Beginn der Reise in der Schwebe hing, ob es sich um plötzliche Visumsverweigerung handelte oder Bezahlungsschwierigkeiten, zurückgetretene Affidavitgeber oder einen nicht bestandenen Gesundheitstest. Immer wieder verweist Gerda Hofreiter auf die Datenbank Shoa-Opfer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, in der alle österreichischen Holocaustopfer namentlich erfasst sind, weil sie methodisch Teilnehmer-Listen geplanter oder stattgefundener Kindertransporte und Namen von für die Ausreise abgelehnten Kindern mit Opferlisten vergleicht, und so wie die Autorin oftmals die Vor- und Nachnamen der durch bestimmte Transporte geretteten Kinder anführt, so dokumentiert sie auch das Schicksal derjenigen, denen die Flucht verwehrt blieb, indem sie den Deportationsort und das Todesjahr für diese Personen angibt. Die Archivrecherchen in Wien und Jerusalem pr...

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