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  • Kommt Herbei! Eintritt Frei. Comoedianten sind da. Ich erzähle Euch die Geschichte vom Dario-Fo-Theater in den Arbeiterbezirken by Gabriele C. Pfeiffer
  • Horst Jarka
Gabriele C. Pfeiffer, Kommt Herbei! Eintritt Frei. Comoedianten sind da. Ich erzähle Euch die Geschichte vom Dario-Fo-Theater in den Arbeiterbezirken. Wien: Mandelbaum, 2009. 237 S.

Pfeiffer rettet ein faszinierendes Experiment in der jüngsten Wiener Theaterlandschaft vor dem Vergessen. Im Mittelpunkt dieser mit Hingebung und bewundernswertem Fleiß zusammengetragenen Chronik steht Didi Macher, die Theater-Prinzipalin, deren leidenschaftlicher Aktivismus ihrer Enttäuschung mit dem bürgerlichen Theaterbetrieb entsprang. Die am Reinhardt-Institut ausgebildete Schauspielerin mit Engagements an verschiedenen Bühnen sah in ihrem Publikum nie die, für die sie Theater machen wollte: “Ich wollte Menschen erreichen und nicht für ein Publikum im Nerz spielen, für das Theater nur ein gesellschaftliches Ereignis ist” (19). Zusammen mit Ulf Birbaumer, Theaterwissenschaftler an der Universität Wien, und dem Burgschauspieler Otto Tausig schuf sie ein solches “Theater außerhalb von Theater:” (29) d.h. ein Theater das “politisch, nicht kommerziell und widerständig, kollektiv-demokratisch, geschichtsbewusst, dezentral und integrativ” war (39). Eine Presseaussendung war noch deutlicher: “Es ärgert uns, dass die Arbeiter mit ihren Steuern für das Theater bezahlen und nicht hineingehen. Darum wollen wir mit dem Theater zu ihnen kommen. In den Betrieb. Vor die Haustür” (55). Laut Statistik besuchten nur 12% die staatlich hoch subventionierten Musentempel (27). Das Gemeindehoftheater war ein [End Page 144] Protest gegen die kulturpolitische Ungerechtigkeit, die 88% der Bevölkerung nicht zur Kenntnis nahm.

Ihre Vorbilder fand Macher in Italien: im Wandertheater der Commedia dell’arte und im politischen Gebrauchsdrama Dario Fos (Nobelpreis für Literatur 1997). Die Vienna Rossa Ausstellung, die Macher in Italien sah, verwies sie auf die Wiener Gemeindebauten, ideal in ihrer Bewohnerschaft und ihren Höfen als Aufführungsorten.

Das Wiener Gemeindehoftheater wurde im May 1980 mit Dario Fos Bezahlt wird nicht! eröffnet. Arbeiterfrauen protestieren gegen die hohen Lebensmittelpreise mit einer Selbstbedienung ohne Kasse. Zu dem Hausfrauenstück ließ der geniale Bühnenbildner des Gemeindehofs- und vieler anderer Theater Gerhard Jax (181) statt des Bühnenvorhangs eine Leine mit aufgehängter Wäsche flattern. Wie die Frauen ihre Beute in Blusen und Röcken nach Hause schmuggelten, sorgte für das Lachen, das Fo immer mit seiner politischen Anklage verband. In Wien lief das Stück vor einer Filiale des Konsumvereins der Gemeinde Wien. Machers Herausforderung galt also nicht nur dem etablierten Theaterbetrieb, sondern auch der Wiener Kommunalpolitik, von der sie freilich abhängig war. Der freie Eintritt war nur möglich, wenn das Geld für Sitzgelegenheiten, Transport, Beleuchtungsanlagen, usw der öffentlichen Hand entlockt werden konnte, die freilich nicht immer gleich offen und willig war. Pfeiffer druckt diese Gradwanderungen zwischen Bittgesuch und Genehmigung ab. Was den Leser in der Wiederholung ermüden mag, lässt ihn jedoch die Frustration der Theaterleute zwischen Begeisterung und Enttäuschung nachfühlen.

Neben etlichen Dario Fo Stücken bot man natürlich auch Stücke von Österreichern, so Die Wirtin von und mit Peter Turrini. In Wien fand Friederich Ungers Der Senkrechtstarter besonderen Anklang: eine Satire mit lokalem Zündstoff. Eine Schrebergartensiedlung soll einem Betonwohnblock geopfert werden. Wie ist der Korruption der Mächtigen und ihren Ungerechtigkeiten zu begegnen? Den Aufruf des Schlussliedes kann man allen Stücken in Machers Theater voranstellen: “I wü ned dass’d plearst, I möcht dass’d di wehrst” (105). Das Programm dieses Hoftheaters war überaus vielseitig und weit gestreut. Man spielte Christine Nöstlingers Rocktheater Franz und Frei für Jugendliche, man spielte Frauenstücke wie Eine Frau allein, Nur Kinder, Küche, Kirche, Offene Zweierbeziehung, und man spielte nicht nur in Gemeindehöfen, im Winter auch in Betriebshallen, und Gasthäusern, und nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern, in der DDR, und [End Page 145] anderen Ländern. Für ihre außerordentliche schauspielerische Leistung in den Menschenlandschaften, dem Epos des politisch verfolgten türkischen Autors Nazim Hikmet, wurde Macher mit der Medaille, die seinen Namen trägt, ausgezeichnet.

Die letzte Produktion war Astoria von Jura Soyfer, der schon 1932 ein Theater für Arbeiter gefordert hatte. Mit seinen...

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