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  • Handbuch der Kunstzitate. Malerei, Skulptur, Fotografie in der deutschsprachigen Literatur der Moderne by Konstanze Fliedl, Marina Rauchenbacher, Joanna Wolf
  • Sabine Gross
Handbuch der Kunstzitate. Malerei, Skulptur, Fotografie in der deutschsprachigen Literatur der Moderne. Herausgegeben von Konstanze Fliedl, Marina Rauchenbacher und Joanna Wolf. Berlin und Boston: de Gruyter, 2011. Band 1: A–K, Band 2: L–Z. xiv + 966 Seiten + zahlreiche farbige Abbildungen. €299,00.

“[I]mmer wieder verbalisieren Autoren und Autorinnen das, was die Bildenden Künste ihnen vor Augen führen: in klassischen Ekphrasen und identifikatorischen Beschreibungen, in orthodoxen Bildgedichten und lyrischen Bilderassoziationen, in expliziten Kommentaren oder verdeckten Chiffren, und das in unüberblickbarer Fülle” (ix). So formulieren die Herausgeberinnen der vorliegenden Publikation sowohl eine Tatsache als auch die raison d’être für ihre gewichtigen zwei Bände. Für alle Literaturoder KulturwissenschaftlerInnen, die sich schon einmal gefragt haben—beispielsweise—, wo in der deutschsprachigen Literatur seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Gemälde von Raffael vorkommen; welche AutorInnen sich außer Handke, Rilke und Robert Walser noch alles mit Bildern von Cézanne befassen; welche Rolle Leonardo da Vinci, Vincent van Gogh oder Edward Hopper in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur spielen; ob es literarische Auseinandersetzungen mit Géricaults “Floß der Medusa” gab; wo Klaus Staeck und Stanley Kubrick literarisch erscheinen; oder ob wohl das Werk Dürers oder Rembrandts den größeren Niederschlag in literarischen Texten gefunden hat: Für sie alle ist das Handbuch eine Quelle umfassender (wenn auch nicht unbedingt ausführlicher oder erschöpfender), gründlicher und detaillierter Informationen.

Über 250 AutorInnen, mehr als 600 Kunstwerke und 356 Abbildungen, die “der Bild-Erinnerung des Lesers dienen” sollen (xiii), sind in der reichhaltigen Materialsammlung zum im Titel genannten Thema erfasst. Einmal als “Wettstreit der Künste” tituliert, kurz darauf als “kongeniale[] Deutungsgeschichte” gewertet (ix), werden in alphabetischer Reihenfolge die literarischen Verweise auf tatsächlich existierende Kunstwerke im Werk der aufgenommenen AutorInnen genannt. Jeden Eintrag ergänzen bibliographische Informationen zumindest zu den Primärtexten von Autor/Autorin sowie (soweit existent) Sekundärliteratur, und oft gibt es noch weitere Angaben. In zeitlicher wie generischer Erweiterung der programmatischen Festlegung auf die “Literatur der Moderne, also etwa ab 1880” (xi) wurden zusätzlich Gottfried Keller, C.F. Meyer, Theodor Fontane und Wilhelm Raabe aufgenommen; auch zu Friedrich Nietzsche, Sigmund Freud und Walter Benjamin finden sich Einträge. Sinnvoll erschlossen wird der Informationsreichtum des Nachschlagewerks durch mehrere Register. Die Mehrzahl der Einträge stammt von den Herausgeberinnen, doch zu zahlreichen AutorInnen wurden jeweils ExpertInnen herangezogen.

Die Einleitung betont die Vielzahl von Möglichkeiten des textuellen Bezugs auf visuelle Kunst (ix), ohne dass diese Vielfalt (in der Einleitung oder in den Einzelbeiträgen) zu einem System regularisiert wird. So übersteigen die individuellen Beiträge—deren Form, darauf weisen die Herausgeberinnen hin, bewusst “nicht schematisch vereinheitlich” (xii) wurde—nicht selten die thematisch gezogenen Grenzen: Sie schließen in Einzelfällen auch die Auseinandersetzung mit literarischen Texten seitens der behandelten Autoren ein, verweisen auf visuelle Poesie oder auf andere verwandte Einflüsse. Entsprechend kann das Hauptregister auf den ersten Blick etwas [End Page 131] verwirren, scheint es doch zunächst, als seien auch Michel Foucault, Horaz oder Brigitte Kronauer unter die bildenden Künstler gegangen. Auch Länge und Schwerpunktsetzung variieren: So findet sich bei Böll eine ausführliche Auseinandersetzung mit seinen kunsttheoretischen Überlegungen, während der Rilke-Artikel überwiegend biographisch angelegt ist. Bei Rilke beispielsweise gilt natürlich in ganz besonderem Maße der generelle Hinweis der Herausgeberinnen, dass “nur exemplarisch und nicht systematisch dokumentier[t]” (xii) werden könne, obwohl es trotzdem überrascht, dass Rilkes Marien-Leben keine Erwähnung findet.

Auf gelegentliche Schwierigkeiten beim lobenswerten Unterfangen, die visuelle Vorlage nicht nur eindeutig zu identifizieren, sondern auch einem (Museums-) Stand-ort zuzuordnen (xiii), verweist bereits die Einleitung. Dass das materielle Original keineswegs notwendig auch das vom Autor rezipierte Artefakt war, “dass die literarische Rezeption der Kunstwerke vielmehr sehr häufig mittels Kupferstichen und Kunstführern, Bildbänden und Postkarten usw. erfolgt ist” (xiii), erwähnen die Herausgeberinnen—eine mediale Gemengelage, die in der Konzeption des Bandes keine besondere Berücksichtigung findet, aber ganz sicher weiterer Aufmerksamkeit wert ist.

Dokumentiert sind nicht zuletzt zahlreiche literarisch-bildkünstlerische Doppelbegabungen: Auch Oskar Kokoschkas...

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