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  • Im Ringen um die Reformation: Kirchen und Prädikanten, Rat und Gemeinden in Augsburg by Rolf Kießling, Thomas Max Safley, and Lee Palmer Wandel
  • Hans-Jörg Künast
Im Ringen um die Reformation: Kirchen und Prädikanten, Rat und Gemeinden in Augsburg. Edited by Rolf Kießling, Thomas Max Safley, and Lee Palmer Wandel. Epfendorf/Neckar: bibliotheca academica, 2011. Pp. 340. Cloth €39.00. ISBN 978-3928471794.

Im Ringen um die Reformation ist keiner der üblichen Sammelbände, die auf eine vorgegebene Fragestellung aus verschiedenen Blickwinkeln eingehen, wobei die Beiträge auf unterschiedlichem Quellenmaterial und methodischen Ansätzen beruhen. Vielmehr handelt es sich um den Versuch einer Neuinterpretation der Augsburger Reformationsgeschichte auf der Basis eines gemeinsamen theoretischen Rahmens und profunder Quellenkenntnis. Zu diesem Projekt hat sich ein deutsch-amerikanisches Netzwerk von drei Professoren und ihren Mitarbeitern bzw. Doktoranden zusammengeschlossen. Die Autoren sehen in ihrem gemeinsamen Unternehmen zu Augsburg eine Modellstudie mit dem Anspruch, zumindest für die großen Städte im Reich ein vertieftes Verständnis der Reformation(en) zu bieten.

Der Band wird von gleich zwei Einführungen eröffnet. Die erste ordnet die Reformationsgeschichte Augsburgs in die Geschichte des Christentums seit dem Mittelalter ein (Lee Palmer Wandel), während in der zweiten knapp, aber sehr anschaulich die wichtigsten Entwicklungslinien der reichsstädtischen Reformation mit einem Ausblick bis zum Dreißigjährigen Krieg dargestellt werden (Rolf Kießling). Auf dieser Basis ist es möglich, die folgenden Artikel in den Gesamtzusammenhang der bewegten Geschichte der Reichsstadt im 16. Jahrhundert einzuordnen, auch wenn man kein Augsburg-Spezialist ist. Zugleich erhält man den gegenwärtigen Forschungsstand sowie die zugrundeliegenden theoretischen Ansätze referiert.

Die folgenden Detailstudien befassen sich mit der Entstehung und Etablierung evangelischer Pfarrgemeinden zu St. Georg und bei den Barfüßern (Thomas Max Safley) sowie zu St. Ulrich (Stephanie Armer) und Heilig Kreuz (Emily Fisher Gray). Einen Sonderfall stellt die „Doppelgemeinde“ von St. Moritz / St. Anna dar, wo die evangelische Kirchengemeinde von einer Kirche zur anderen wechseln musste (Rolf Kießling). Demgegenüber missglückten die Initiativen an der Dompfarrei und bei St. Stephan, einer Kirchenreform zum Durchbruch zu verhelfen und auf Dauer evangelische Pfarrzechen zu etablieren (Dietmar Schiersner). Der abschließende Beitrag befasst sich mit den Täufern, einem Personenverband, der ohne örtliche Bindung und Kirche auskam (Michele Zelinsky). Ohne Anbindung an eine Pfarrei kam ebenfalls die Anhängerschaft von Kaspar Schwenckfeld in Augsburg aus, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts eine Alternative zu den sich entwickelnden Konfessionskirchen anbot. Sie werden nur am Rande erwähnt (S. 134f., 158, 201, 227 u. 261). Ein Kapitel hierzu hätte das Bild zu den reformatorischen Bewegungen in der Reichsstadt abgerundet, wofür sich offensichtlich aber kein Bearbeiter fand.

Den Autoren gemeinsam ist ein Unbehagen an einer Geschichtsschreibung, die [End Page 165] unter dem Paradigma der Konfessionalisierung die Vielfalt der Impulse aus dem Blick verloren hat, aus denen sich die Reformationsbewegung(en) speisten. Sie gingen in den Städten nicht nur von Predigern und der Obrigkeit aus, sondern auch von den Pfarrgemeinden und ihren führenden Repräsentanten. Die Stadt war weder vor noch nach dem Auftreten von Martin Luther in Sachen Religion homogen, was aber nur sichtbar wird, wenn man die Pfarrgemeinden in eine Analyse der Reformationsgeschichte als zusätzliche Ebene einfügt. Die Resultate der Frühneuzeit- und Reformationshistoriker von Bernd Möller bis Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling kritisch hinterfragend, wird hier an Forschungsansätze der Mediävistik angeknüpft: „Für Mediävisten bedeutet Christentum Objekte und Gesten, Kirchen und Schriften, Farbe und Tinte, Bewegung und Sprache, Raum und Zeit—und eben auch Texte. Dieser Band versucht das wiederherzustellen, die Örtlichkeit des Christentums mit seinen Verwirklichungen, seinen Verwurzelungen und seinen Verkörperungen—und damit auch den Sinn des Christentums, wie er im 16. Jahrhundert begriffen und praktiziert wurde“ (Wandel, S. 13).

Das Vorhaben gelingt für die einzelnen Pfarrgemeinden in unterschiedlicher Weise. Dies ist jedoch vor allem einer sehr ungleichen Quellenüberlieferung geschuldet. Gemeinsam ist allen Beiträgen hingegen der Nachweis, dass die Pfarrgemeinden—basierend auf den im Spätmittelalter errichteten Pfarrzechen—ein nicht zu unterschätzender politischer und sozialer Faktor in der Stadt waren und sich bis ins 17...

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