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EIN BEMERKENSWERTER SPATMITTELALTERLICHER CODEX ZUR PHILOSOPHIE, ASTRONOMIE UND MEDIZIN: MAINZ, STADTBIBLIOTHEK, HS I 613 Von HARALD BERGER Vor kurzem habe ich den Cod. 5461 der Österreichischen Nationalbibliothek . Wien, beschrieben,1 in dem unter anderem die Quaestiones super arte veteri des Henricus (Totting) de Oyta (f 1397 in Wien) überliefert sind. Einem Hinweis auf einen zweiten Textzeugen folgend,2 habe ich inzwischen auch die Mainzer Hs I 613 (= M) untersucht, was wertvolle Ergebnisse zutage gebracht hat: Dieser Codex enthält eine Fülle von 26 bzw. 28 Texten hauptsächlich aus den Gebieten der Philosophie (Nr. 1-12 u. 26), der Astronomie bzw. Komputistik (Nr. 13-17) und der Medizin (Nr. 18-22); nur der Block Nr. 23-25 ist anderen Inhalts (Grammatik, Kirchenrecht, Poesie). Die wichtigeren Ergebnisse schicke ich hier voraus, für Einzelheiten verweise ich auf die Anmerkungen zu den jeweiligen Texten in der folgenden Beschreibung . Handschrift Nr. 3 bietet einen weiteren Textzeugen des einflußreichen logischen Traktats Terminus est in quem des Richard Billingham (Mitte 14. Jahrhundert). Handschrift Nr. 5 ist ein zweiter Textzeuge eines logischen Werks, das gemäß dem Nachweis Jan Pinborgs im bedeutenden Erfurter Schulbetrieb des 14. Jahrhunderts verwendet, vielleicht sogar verfaßt wurde. Die Handschriften Nr. 6 u. 7 werfen neues Licht auf den Logiker Martinus Anglicus (Mitte 14. Jahrhundert), dem man nun ein zumindest siebenteiliges Logikhandbuch zuschreiben kann. Text Nr. 6 ist der vollständige Traktat Martins über die Supposition, von dem bislang nur ein anonymes und damit fragliches Fragment bekannt war. Eine Transkription dieses Textes werde ich demnächst vorlegen.3 1 Harald Berger, "Der Codex Wien, ONB, Cod. 5461, mit logischen Werken und einer Ars didandi des 14. Jahrhunderts (Albertus de Saxonia, Henricus Totting de Oyta, Richardus Kilvington, Nicolaus de Dybin, Anonymi)," Codices Manuscripti 50/51 (2005): 17-33. 2 Vgl. Olga Weijers, Le travail intellectuel à la Faculté des arts de Paris: textes et maîtres (ca. 1200-1500), Fase. 4: Répertoire des noms commenant par H et J (jusqu' à Johannes C), Studia Artistarum 9 (Turnhout, 2001), 68-73, "Henricus Totting de Oyta," hier 70, offenbar nach L. M. de Rijk und E. P. Bos, Medieval Logical Manuscripts (im Internet unter ), s. ?. "Hendrik v. Oyta." 3 Harald Berger, "Martinus Anglicus (dictus Bilond?), Tractatus de suppositione: Einleitung und Text," Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelaller 12 (2007). im Druck. 238TRADITIO Handschrift Nr. 8 ist ein zweiter Textzeuge von Heinrich Tottings Quaestiones super arte veteri, Teil 2 (Praedicamenta), die sonst nur in einem Wiener Codex erhalten sind (siehe oben). Eine Randbemerkung zu diesen Quästionen in M, Bl. 36va, könnte auch einen Anhaltspunkt zur Klärung der Unsicherheiten bezüglich eines Quästionen-Kommentars Heinrichs zur Physik bieten. - Auch ein Zeitgenosse, Landsmann und Prager Kollege Heinrich Tottings ist in diesem Codex vertreten: Der aus meiner Sicht des Philosophiehistorikers schönste Fund ist Handschrift Nr. 26.1-3: Damit ist erstmals ein Werk des (gemäß den urkundlichen Belegen offenbar) bedeutenden Prager Professors der 1360er und -70er Jahre Mag. art. & Dr. med. Wicboldus Stutte (Sculte) aus Osnabrück4 nachgewiesen , und zwar eine umfangreiche (56 BIl.) Exposition der ersten drei Bücher der Aristotelischen Parva naturalia. Wikbold wurde vor dem 28. Dezember 1362 Mag. art., vor dem 25. Juli 1366 Bacc. med. und vor dem 3. Mai 1371 Mag. bzw. Dr. med., 1375 war er auch Rektor der Universität Prag. Als Kleriker war er Propst in Rramsche sowie Domherr in Münster, Osnabrück und Prag (so z. B. der Besitzereintrag im Erfurter Cod. Amplon. Fol. 15: "Magistri Wycboldi in artibus et medicinae professi, praepositi Bramescensis , canonici ecclesiarum Monasteriensis, Osnabur atque omnium sanctorum castri Pragensis).":j Wikbold ist auch als Vorbesitzer einiger Codices des berühmten Gelehrten und Büchersammlers Mag. art. & Dr. med. Amplonius Rattinck de Bercka (f 1435)6 belegt,7 welcher ja u. a. auch in Osnabrück und in Prag war sowie von 1417 bis 1423 in Mainz als Dechant von St. Viktor; ob und wie das mit der Geschichte dieses Codex M zusammenhängt, läßt sich aus ihm selbst nicht erheben. Die nicht-philosophischen Texte konnte ich nicht so gut bestimmen, die Angaben dazu sollten aber als Ausgangspunkte für die Historiker der betreffenden Wissenschaften ausreichen; es sind...

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