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Reviewed by:
  • King Rother and His Bride: Quest and Counter-Quests
  • Astrid Lembke
King Rother and His Bride: Quest and Counter-Quests. By Thomas Kerth. Rochester, NY: Camden House, 2010. xi + 252 pages. $75.00.

Mittelalterliche Brautwerbungserzählungen variieren ein narratives Muster, das in der Vormoderne in verschiedenen Kulturen wie auch in ganz unterschiedlichen literarischen Zusammenhängen produktiv gemacht wird. Für die Literaturwissenschaft besteht die grundlegende Herausforderung darin, dieses Muster weniger als historischen ‘Bauplan’ denn als Analyseinstrument zu betrachten, welches den Blick für die Vergleichbarkeit einer Anzahl von Texten schärft und dadurch deren Eigenheiten hervorzuheben vermag. Wie das Narrativ dazu eingesetzt wird, verschiedene Formen der Queste nacheinander und miteinander verschränkt in Szene zu setzen, zeigt Thomas Kerth in seiner Studie über den König Rother, einen mittelhochdeutschen Brautwerbungsroman aus dem 12. Jahrhundert.

In zwei einleitenden Kapiteln fasst der Autor den Forschungsstand zur Überlieferungs- und Quellengeschichte, zu möglichen historischen Vorbildern für die Protagonisten sowie zu den wichtigsten Konzepten und Termini zusammen, die in der germanistischen Mediävistik im Zusammenhang mit dem König Rother häufig Verwendung finden (Spielmannsdichtung, Schemacharakter und Verflechtung von Mündlichkeit und Schriftkultur).

Im hierauf folgenden Interpretationsteil folgt Kerth größtenteils dem Handlungsverlauf. [End Page 266] So steht zunächst der männliche Protagonist Rother, mit dessen Einführung der Roman beginnt, im Mittelpunkt der Untersuchung. Als idealer Herrscher gekennzeichnet, dessen Verhältnis zu seinen Gefolgsleuten auf Vertrauen und gegenseitiger Loyalität beruht, besteht Rothers einziges Defizit darin, weder Ehefrau noch Nachfolger zu besitzen. Als eines der bedeutendsten Themen des Romans macht Kerth daher die Sicherung von Herrschaft durch eine geregelte Nachfolge aus (48). Erreicht werden kann eine solche Stabilisierung der Verhältnisse durch den Erwerb einer passenden Braut. Die einzige gleichrangige Kandidatin ist die Tochter des oströmischen Kaisers Konstantin, der sich jedoch weigert, sie zu verheiraten. Indem, so Kerth, die Figur Konstantins mit verschiedenen antibyzantinischen Stereotypen in Verbindung gebracht wird, entsteht eine Kontrastfigur zu König Rother, von der sich dieser vorteilhaft abhebt. Gleichzeitig dient die Figur dazu, zeitgenössische negative Assoziationen zur oströmischen Politik und Kultur zu bündeln und damit sowohl von der Braut als auch von dem Herrschaftsbereich abzuziehen, zu dem Rother mit seiner Heiratsallianz Kontakte knüpft.

Kerth zeigt zudem, dass Konstantin nicht nur mit Rother, sondern auch mit seiner eigenen Frau kontrastiert und auf diese Weise herabgesetzt wird. Hieran wird auch sichtbar, welch ungewöhnlich große Handlungsspielräume die Frauen im König Rother erhalten. Neben Konstantins Gattin entwickelt auch seine Tochter ein erstaunliches Maß an Eigeninitiative: “The female characters in König Rother represent an active positive force within the father’s negative space” (211). Dass es sich so verhält, zeigt Kerth, indem er die Reaktion der Braut auf Rothers Werbung als komplementäre Werbungsstrategie interpretiert, die Konstantins Tochter selbst mit List und Geschick eigenständig vorantreibt. Rothers Werbung kann durch die Verbindung mit der Werbung der Braut vorläufig gelingen (“merging quests”), wird sodann durch die Reaktion des Brautvaters rückgängig gemacht (“counter-quest”) und erst in einem neuerlichen Anlauf (“doubled quest”) endgültig zum Erfolg gebracht. Es kommt zur Wiedervereinigung des Paares, der Versöhnung König Rothers mit Konstantin und damit auch zur Herstellung eines Zustandes der Harmonie zwischen der westlichen und der östlichen Christenheit, die zeitweise durch den intrareligiösen Konflikt ebenso bedroht gewesen war wie durch einen Angriff der Heiden. Rothers Rückzug vom weltlichen Leben, nachdem er die Herrschaft auf seinen Sohn Pippin übertragen hat, bezeichnet Kerth in Anlehnung an die vorherigen wiederholten Bestrebungen der Protagonisten, ein schwer zu erlangendes Ziel zu erreichen, treffend als “eternal quest.” Die Handlung wird damit sowohl an eine als historisch markierte Wirklichkeit angebunden als auch in eine transzendente Wirklichkeit überführt.

Zuweilen wäre es wünschenswert gewesen, durch Vergleiche mit anderen Brautwerbungserzählungen noch deutlicher herauszustellen, was die Besonderheit des König Rother ausmacht. Andererseits gelingt es Kerth in seiner Fokussierung auf diesen Text, ihn nicht lediglich als Glied einer durch das Brautwerbungsschema bestimmten Serie zu würdigen, sondern vielmehr seine Eigenständigkeit als komplexes und beziehungsreiches Werk der frühen mittelhochdeutschen Epik kenntlich zu machen.

Die Rückbindung der Interpretation an den historischen Kontext, in...

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