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MLN 118.3 (2003) 755-770



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Vom Abgrund angefangen Zur Frage der Gespräche Im Hinblick auf Robert André, Gespräche von Text zu Text. Celan—Heidegger—Hölderlin

Thomas Schestag


Mit Robert Andrés Gesprächen von Text zu Text 1 ist keine Untersuchung unter andern anzuzeigen, die den bestehenden, aus philosophisch, politisch oder philologisch orientierten Beiträgen weit gefächerten Gesprächszusammenhang über das Gespräch—oder Ungespräch—zwischen Celan, Heidegger und Hölderlin um eine Stimme mehr erweitert, und das Gespräch, indem sie am Gespräch teilnimmt, fortsetzt. Nicht, daß das Buch nicht auch unter diesem Winkel vorgenommen, durchmustert und beiseitegelegt werden könnte, um zu andern Gesprächsteilnehmern, zu andern Gesprächen, oder zu anderem als zu Gesprächen überzugehen. Das eigentümliche Gewicht dieser Studie liegt aber darin, daß sie, indem sie am Gespräch teilnimmt, eine Frage auf-, und ins Gespräch wirft, die das Gespräch, an dem sie teilnimmt, unterbricht: was ist ein Gespräch?

Diese Frage, der das Buch zurückhaltend, aber zuvorkommend, zur Sprache und ins Gespräch verhilft, trägt Züge jener Intervention, die [End Page 755] André—aus der Nähe zum Gespräch—auf den ersten Seiten des Buchs, in Celans Gedichten entziffert. André nimmt zunächst die abgegriffene Frage aus dem bestehenden Gesprächszusammenhang über das Verhältnis zwischen Celan und Heidegger auf, "warum sich Celan auf das Zusammentreffen mit Heidegger [im Juli 1967] eingelassen hat, warum er das Gespräch mit Heidegger führen wollte," um vor diese Frage zurück darauf hinzuweisen, Celan habe seit 1953 "über viele Jahre in seinen Gedichten mit Heidegger über die Aufgabe des Zu-Dichten-und-zu-Denkenden" ein "Gespräch von Text zu Text [...] geführt." 2 Was aber ist ein Gespräch, und wo—unter welchen Bedingungen—findet es statt, wenn Celan im Juli 1967 das Gespräch mit Heidegger suchte, das er seit 1953 in Gedichten, von Text zu Text, bereits führte? Oder war das Gespräch, das er suchte, mit dem Gespräch, das die Gedichte führten, unvereinbar? Wer, wenn diejenigen, die den einen oder andern Text verfaßten, vom Gespräch, das die Texte führen, abgeschnitten sind—wer spricht in ihm? Wer wird angesprochen im Gespräch? Wer wird angesprochen durchs Gespräch? Und wer genau führt das Gespräch? Und warum heißt es vom Gespräch, es werde geführt? Ist vielleicht das Gespräch blind, blind fürs Gespräch? Und wo—und wie—werden Gespräche unterbrochen? Ist deren Unterbrechung noch Teil des Gesprächs, oder schon nicht mehr? Liegt in der Unterbrechung des Gesprächs die Bedingung dafür, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen? Werden also Gespräche, gerade weil sie unterbrochen werden, über das Gesprächsende hinaus—dort, wo nicht mehr, wo noch nicht wieder gesprochen wird—fortgeführt? Kommen sie erst dort, und von dort her, wo—beredt vielleicht—geschwiegen wird, in Gang? Kennen Gespräche, genau aus diesem Grund—der Unterbrechung—, weil die Unterbrechung Teil des Gespräches ist, weder Anfang noch Ende? Wie aber läßt sich dann das eine vom andern Gespräch unterscheiden? Wie das Sprechen vom Schweigen? Wie das beredte Schweigen vom nichtssagenden Sprechen? Wie also, im Gespräch, das eine vom andern Sprechen, das beredte Schweigen vom verstummenden? Oder wird in allen Gesprächen immer nur eines, ein und dasselbe Gespräch geführt: unterbrochen: fortgesetzt? Das Gespräch nämlich, das nach der Bedingung der Möglichkeit des Gesprächs, das danach fragt, was Sprechen heißt? Wird also, weil das Gespräch genau aus diesem Grund—von Anfang an—nicht gefunden (und geführt), nur gesucht (oder gemieden) werden kann, das Gespräch, vor den Anfang des Gesprächs zurück, fort-, nämlich ausgesetzt: fern- und aufgehalten, auf dem Weg zum Weg zu sich, zustandezukommen und Gespräch zu [End Page 756] sein? Bleibt das Gespräch dem Gespräch fern? Entrückt? Oder liegt in der Entrückung, in einer Folge von...

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