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Am Hellen Tag: Erzählung BARBARA FRISCHMUTH Sie war Greta. Greta G. Warum nicht Greta G.? Was war so aussergewöhnlich daran, Greta G. zu heissen? Sie war Greta G., aber es gab mehrere Greta G.s. Niemand konnte seinen Vornamen für sich allein haben, den Nachnamen schon gar nicht. Es gab kein Gesetz, das die Einmaligkeit von Namen schützte. Und welche Buchstabenkombination auch immer man sich ausdachte, es war mehr als wahrscheinlich, dass sie schon bestand, dass man bloss nicht davon wusste, in einer anderen Sprache vielleicht. Die Enttäuschung, als sie Issa im Japanischen als Dichternamen wiederfand. Es blieb bei Greta. Greta G. Ein Nachname war so gut wie der andere. Wer einen damit anredete, setzte eine Bezeichnung hinzu, um klarzumachen, dass er zumindest so viel von einem wusste: Familienzugehörigkeit . Stand, Geschlecht. Lange hatte sie sich einen Namen gewünscht, der nur sie anging, der sie besagte. Murmel zum Beispiel, der auf eine Glaskugel, ein Tier und eine bestimmte Art von Geräusch hindeutete. Aber niemand war je auf die Idee gekommen, sie Murmel zu heissen. Sie war Greta G., musste Greta G. bleiben. Eine gewisse Greta G. die dasass, anstatt zu arbeiten, die Beine hochgelagert, eine Zeitschrift auf den Knien, rauchend. Sie hasste den Geruch des Messingaschenbechers , wenn sie die Zigarette darin abtötete. Sie mochte Aschenbecher aus Messing nicht, aber da war kein anderer. Auch stanken sie noch lange nach, wenn sie bereits gesäubert waren. Greta G., stand in der Zeitschrift, jene einmalige Greta G. Sie überblätterte sie. Auch wenn da Greta G. stand, hiess das noch lange nicht, dass sie es war. Solche Namen bedeuteten so gut wie nichts. Manche existierten nur als Bildunterschrift, waren Hinweis auf austauschbare Gesichtszüge, begünstigten auf unversch ämte Weise den, der am häufigsten mit ihnen genannt wurde. -■Aus einem lang zurückliegenden Anlass war sie Greta G., hatte Greta G. zu sein. Eine der vielen möglichen Greta G.s., die sie gar nicht alle kannte. Von sich wusste sie, dass sie Greta G. war, auch als Greta G. galt. Zum Glück kam es selten vor, dass jemand, der ihr begegnete, sie mit einer anderen Greta G. verwechselte. Allein, ihr genügte schon die Möglichkeit. Sie stülpte die leere Teetasse über den Aschenbecher . Es war hell draussen, sonnig, klar, mit einem leichten Windhauch, der die Blätter zum Beben brachte. Sie sass im Wohnzimmer, ebenerdig, bei geschlossenen Fensterläden, das Licht kam von der Tür. Sie hatte sich selbst beurlaubt, für kurze Zeit, länger als eine Teepause, sie brauchte die Entspannung. Das Haus war leer, menschenleer, doch stand vieles herum, was Staub fing. Gefallen ja, es gefiel ihr schon, machte aber Arbeit. Das eine oder andere hätte sie auch gekauft; so viele Möbel waren es gar nicht, aber die Bücher und die Bilder. Niemand zwang sie, niemand konnte sie zu etwas zwingen. Und irgendwann war dann ohnehin alles gemacht. Die beiden Glastürflügel standen offen, und ihr Blick reichte bis zur Buchsbaumhecke. Sie wäre jetzt lieber im schattigen Teil des Gartens gesessen. Hinter der Hecke fiel das Grundstück ab und da war ein Teich, das heisst, ein kleiner künstlich angelegter Tümpel mit einer alten Brunnenfigur, und darum herum wucherte und gedieh es in allen nur denkbaren Schattierungen von Silbrig bis Grün, gefiedert, gezackt oder in dicken, lappenförmigen Blättern, und dazwischen blühte es zart in weissen und gelben Tönen. Der Garten gewiss, das war ihr Geschmack. Am Ende des Grundstücks, gegen die Strasse, nur mehr Büsche und Bäume, hinter dem Haus Holunder und Ribiselsträucher. An den Steintreppen entlang weisse und blaue Iris, Klematis rankend an den Kiefern, dazwischen Geissbart. So gut wie kein Rot. Sie empfand all die ,dicken Begonien und neuen Rosensorten in ihrer pflegeleichten Pracht als protzig, ja geradezu aufreizend, und mochte sie nur an alten Holzhäusern oder in Bauerngärten. Der Wunsch kam sie an, sich im Garten zu schaffen zu machen, aber dazu war es jetzt wohl zu warm. Noch ein bisschen sitzen bleiben, so, mit hochgelagerten 2 Beinen. Dann würde sie sich aufraffen...

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