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252 Book Reviews Indem Mayer die Turmgesellschaft jedoch geschichtsphilosophisch und pœtologisch alszukunftsträchtig betrachtet, widersetzt er sich denjenigen, die, von Novalis herkommend, ihre Vertreter "verteufeln" und in Wilhelms Entwicklung einen steten Rückschritt sehen. Dies ist für den Verfasser — und ihm ist da völlig zuzustimmen — "eine Interpretation gegen den Roman" (105). Andererseits hängt Mayer dem Turm soviel moderne Gebrochen heit, Ableitung aus und Nivellierung der griechischen Götterwelt an, daß seine Turm-Interpretationen fragwürdig, aufgereiht und nicht integriert erscheinen. Wenn Mignon, diese dem Goetheschen "Anschauen" und Gefühl entsprungene Symbol-Gestalt in Wilhelms Begleitung, deren Wesen sich in subjektiver Poesie verkörpert, gar strukturell als Zitierung und Abwandlung ausgerechnet epischer Modelle wie Vergils Camilla und Tassos Clorinda gedeutet wird, dann kommt Mayer zu diesem bildfremden Vergleich zur Unterstützung der These, daß Goethe in seinem Roman die Tradition der Epik ironisch verfremden wiil. Dementsprechend soll auch der Harfner eine ins Psychofogische umgedeutete, "historisch überholte" Version des epischen Sängers darstellen (122). Diese kunstphilosophischen Beziehungen der Lehrjahre zu Homer und kursorisch zur epischen Tradition, die in den längeren zweiten Teil seines Buches eingeflochten sind (der erste kürzere war Friedrich Schlegel gewidmet ), steifen die gedankliche Verbindung zum dritten Teil, einer Art abschließender Übersicht, dar, in der Mayer die poetische Selbstreflexion in Shakespeares//«rafei und Kafkas "Hungerkünstler" untersucht, und er kommt in seinem weitgespannten Rahmen auch auf Nietzsche, Joyce, Christa Wolf und andere zu sprechen. Vom "Metadrama" Shakespeares über Goethes "Selbstreflexion als Strategie der Kunst" bis zu Kafkas "Selbstaufhebung des Kunstwerks" wird eine große, in ihren sozialgeschichtlichen Bezügen nicht immer überzeugende, aber als moderne Abwandlung des Diltheyschen Modells interessante Verbindung hergestellt. Das Buch ist trotz seiner angedeuteten Mängel reich an Wissen und Intelligenz, die Kenntnis der Literatur ist umfangreich, wenn auch nicht immer genau, und zu lohnenswerter weiterer Erforschung der faszinierenden Thematik des Buches liefert dieses selbst einen respektablen Beitrag. University of Washington Hellmut Ammerlahn Winter, Ingrid, Wiederholte Spiegelungen: Funktion und Bedeutung der Verseinlage in Goethes Iphigenie auf Tauris und Wilhelm Meisters Lehrjahre. New York, Bern, Frankfurt/Main, Paris: Peter Lang, 1988 (Studies in Modern German Literature, Vol. 21). Die Lieder der Lehrjahre, wovon die meisten als "Gesänge" unter der Rubrik "Aus Wilhelm Meister" in neuer Reihenfolge von Goethe in die späteren Gesamtausgaben seiner Gedichte aufgenommen wurden, während Mignons und des Harfners jeweifs erstes Lied die sich daran anschfießende Gruppe der "Balladen" einleiten, haben seit Erscheinen des Romans eine bis in die Gegenwart fortdauernde, beträchtliche Faszination ausgeübt — man denke nur etwa an die Vertonungen und die Forechungsliteratur. Dasgleiche ließe sich wohl kaum vom "Parzenlied" der Iphigenie behaupten. Darum stellt Goethe Yearbook 253 sich die Frage, warum Winter es sich zur Aufgabe macht, die "Verseinlage[n]" gerade dieses Romans und dieses Dramas im Bezug zu den jeweiligen Werken und deren Beziehungen zueinander zu untersuchen, während es an Verseinlagen in anderen Goethewerken ja auch nicht gerade mangelt. Obwohl man vergeblich nach einer direkten Begründung dieser Auswahl fahndet, scheint sie indirekt in der Thematik der Schicksalsverfallenheit, des Ausgeliefertseins an willkürliche "himmlische Mächte" zu liegen, die Mignon und den Harfner mit dem gestürzten Tantalus und seinen Nachkommen für Winter verbindet. Schon früh wurde diese Verknüpfung hergestelft, und Gerhard Storz scheint in seiner Bestätigung nicht nur einen beträchtlichen Antrieb zu der gegenwärtigen Arbeit gegeben, sondern zugleich auch die Interpretationsausrichtung vorgeschlagen zu haben, wenn er von Mignon und dem Harfher behauptet: "Ein neues Paar also fügt sich zu Tántalos und den Seinen, ein neues Paar von Opfern einer unauflöslichen Verflechtung, einer rätselverborgenen Gottheit. Wirklich mehr als nur Persönliches hat der Harfner mit seinem Eigentlichen zu sagen [...]" (Goethe-Vigilien, Stuttgart, 1953, 121 — mein Betonungshinweis bezieht sich auf die Interpretationsausrichtung , doch davon später). Während Storz mit obigem Zitat seine Besprechung des zuletzt angeordneten Harfherliedes "Wer nie sein Brot [...]" in Goethes Gedichtzyklus "Aus Wilhelm Meister" beendet und mit der Analyse des sich erstaunlicherweise gerade daran anschließenden Liedes von Philine, "Singet nicht in Trauert önen," fortfahrt — was den weitabgewandten, ich-versponnenen HarfnerLiedern den lebenszugewandten Pol erotischer Liebe gegenüberstellt und sie damit ihrer absoluten Tragik...

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