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LIESELOTTE E. KURTH-VOIGT Ottilie von Goethe und Clara Mundt; mit einem unbekannten Brief ι DlE BIBLIOTHEK DER Universität Bonn besitzt einen Brief Clara Mundts an Ottilie von Goethe, der hier zum ersten Mal im Druck vorgelegt wird.1 Er stammt aus dem Nachlaß der Kölner Bankierstochter Sybille MertensSchaaf fhausen, einer Freundin Ottilies, die ihr vor allem in den schweren Wiener Jahren eng verbunden war und sie in andern Zeiten der Not finanziell unterstützte.2 Im Jahre 1843, als dieser Brief geschrieben wurde, war Ottilie von Goethe siebenundvierzig Jahre alt. Seit 1817 in einer nicht sehr glücklichen Ehe mit August von Goethe verheiratet, war sie fünf zehn Jahre lang Hausgenossin seines Vaters gewesen. Seit dem Tod der beiden Männer (August starb 1830 und Goethe bekanntlich zwei Jahre später) hatte Ottilie ein unstetes und in vieler Hinsicht problematisches Leben geführt. Mit einem stark ausgeprägten Bedürfnis nach geistig anregenden Beziehungen pflegte sie enge Freundschaft mit intellektuellen und literarisch tätigen Frauen, so auch mit Adele Schopenhauer, Amalie von Groß, Anna Jameson und Anna Gargallo. Dieses Lebenserfordernis nach geistigem Verkehr, mehr noch eine sentimentale Sehnsucht nach einem dauerhaften, gegenseitig erfüllenden Liebesverhältnis ließ sie auch Verbindungen mit männlichen Gefährten suchen. Ihre Beziehungen zu vielfach sehr viel jüngeren Männern führten allerdings oft zu peinlichen Situationen und in jedem Falle zu Trennung und Enttäuschung. 166 GOETHE SOCIETY OF NORTH AMERICA Auch im Kreis der Jungdeutschen, dem Theodor Mundt angehörte, schloß sie Freundschaften. Als ihr Sohn Walther in Leipzig studierte, zog sie auf einige Zeit dorthin, und im Sommer 1838 wird ihr auch Clara Müller, Mundts zukünftige Frau, vorgestellt worden sein. In seinem Brief vom 13. Juli 1838 ermutigt Mundt seine junge Verehrerin Clara, nach Leipzig zu kommen und bereitet sie auf das Zusammensein mit Ottilie vor: Ich bin hier ... sehr glücklich situirt. Einmal erfreue ich mich der Nähe meines alten Jugendfreundes Kühne, und dann ist für angenehme und anregende Gesellschaft durch die Anwesenheit der Frau von Goethe gesorgt, die sich seit einigen Tagen hier befindet. Ottilie von Goethe ist ein höchst interessantes, originelles und tief angelegtes Wesen.3 Wie es sehr oft in Äußerungen über Ottilie üblich ist, berührt auch Mundt die Frage ihres Zusammenlebens mit Goethe und versucht, das harmonische Verhältnis zwischen dem alten Dichter und seiner Schwiegertochter zu ergründen: Es ist merkwürdig, daß der alte Goethe, dieser klare antikgehaltene Krystallfelsen, doch vorzugsweise romantische Naturen, seinen Gegensatz, in seine Nähe bannte. Das mysteriöse Verhältniß von Wilhelm Meister und Mignon ist für Goethe's eigenes Leben von prototypischer Bedeutung. So fand sich die wildromantische Rheinnixe Bettina von Arnim zu ihm. So heirathete Ottilie seinen Sohn, um dadurch in die unmittelbare Nähe des hochherrlichen Alten zu rücken, dessen Liebling sie wurde.4 Mundt verspricht Clara, die Bekanntschaft mit Frau von Goethe zu vermitteln, und er glaubt, voraussagen zu können, daß auch diese "großes Interesse" für die Besucherin aus Mecklenburg zeigen werde. Im Frühjahr 1837, vereinsamt und noch tief erschüttert von dem Tod ihrer jüngsten illegitimen Tochter Anna (ihr Vater war der Ire Charles Sterling) suchte Ottilie neue Verbindungen, und es war Gustav Kühne, dem sie sich in Leipzig zuwandte.5 Ihr freundschaftliches Verhältnis ist im gegenwärtigen Zusammenhang von besonderer Bedeutung, da—wie Ottilie selbst es sah—Clara Mundt das in der Wirklichkeit Beobachtete später in einem ihrer Romane dichterisch gestaltete. Über die Anfänge der Freundschaft mit Kühne berichtet Ottilie am 4. Mai 1837 an Adele Schopenhauer: Am Regelmäßigsten hier sehe ich Dr. Kühne, Herausgeber der eleganten Zeitung, er pflegt alle 3,4 Tage einen Abend bei mir zuzubringen und ist mir sehr angenehm, obgleich er im Ganzen etwas schweigsames hat, doch verliehrt sich das, wenn man mit ihm allein ist, es ist ein sinniger Mensch, der mich anregt, zu lesen, zu denken und zu sprechen; es ist noch ein junger Mann, denn selbst die 30 Jahre sieht man ihm nicht an.6 Lieselotte E. Kurt h -Voigt 167 Mit Kühne (wie zuvor mit Charles Sterling) verbindet...

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