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KATHARINA MOMMSEN Aufforderung zur Suche nach einem Goethe-Autograph UNTER DER ÜBERSCHRIFT"Ein Gedicht Goethes zu Ehren von Johann Sebastian Bach? Plädoyer für seine Echtheit" veröffentlichte das Weimarer Goethe Jahrbuch von 1996 einen Aufsatz von mir, in dem es um die Authentizität eines Gedichts geht, das bisher in keiner GoetheAusgabe zu finden ist. Doch wird es 1998 in der Münchner Ausgabe von Goethes Werken erscheinen, da deren Herausgeber Karl Richter von seiner Echtheit ebenso überzeugt ist, wie ich es selber bin. Es handelt sich um ein Gelegenheitsgedicht, das Goethe dem ihm befreundeten Organisten und Badeinspektor in Bad Berka an der Um, Joh. Heinrich Friedrich Schütz, in ein rotgebundenes Notenheft mit Bachschen Chorälen schrieb, als er es ihm 1818 zu Weihnachten schenkte: Laß mich hören, laß mich fühlen, Was der Klang zum Herzen spricht; In des Lebens nun so kühlen Tagen spende Wärme, Licht. Immer ist der Sinn empfänglich, Wenn sich Neues, Großes beut, Das ureigen, unvergänglich, Keines Krittlers Tadel scheut, Das aus Tiefen sich lebendig Zu dem Geisterchor gesellt, Und uns zwanglos und selbständig Auferbauet eine Welt. Tritt der Jünger vor den Meister, Sei's zu löblichem Gewinn, Denn die Nähe reiner Geister Geistigt aufgeschlossenen Sinn. Weimar, Weihnachten 1818 Goethe. 344 Katharina Mommsen Wie öfter bei Gelegenheitsgedichten behielt Goethe keine Abschrift zurück. Das Original aber ist verschollen. Nur dadurch, daß sich ein Besucher von Schütz eine Abschrift der Verse machte, sind sie erhalten geblieben. Nach Veröffentlichung des oben erwähnten Aufsatzes bestätigte der Berkaer Stadtarchivar Ludwig Hafner meine Vermutung, daß das verschollene Notenheft mit Goethes Versen nach Amerika gelangte. Er gibt dazu folgende Informationen: Als Heinrich Schütz 1829 kinderlos starb, mußte seine Frau Eleonore ihre gemeinsame Wohnung in der sogenannten Organistenschule verlassen. Von 1836 bis zu ihrem Tode 1851 wohnte sie im Haus eines Amtschirurgen, Dr. Robert Friedel. Sie hatte ein herzliches Verhältnis zur Familie Friedel und übernahm bei den Kindern eine Art Großmutterrolle. Sie lebte aber auch sehr in ihren Erinnerungen an alles, -was mit ihrem Mann und seinen Beziehungen zu Goethe zusammenhing. Da sie finanziell abgesichert, ja wohlhabend war, hat sie gewiß keinerlei wertvolle Erinnerungsstücke verkauft oder anderweitig veräußert. Ihr Erbe war Friedel, der 1851 bis 1854 das Amt des Bürgermeisters bekleidete. Danach übte er wieder seinen Beruf aus und betrieb nebenbei ein Auswanderer-Büro nach Amerika. Um 1858 wanderte er dann selber nach Amerika aus. Bei seinem Weggang schenkte Friedel dem damaligen Pfarrer Elle ein wertvolles Ölgemälde von Joh. Heinrich F. Schütz und ein Pastellporträt von Eleonore Schütz. Während das von Johann Joseph Schmeller gemalte Porträt von Schütz heute im Stadtarchiv von Bad Berka bewahrt wird, ging das Bild seiner Frau verloren. Daß Robert Friedel der Erbe einer erheblichen Summe Geldes und anderer Besitztümer aus dem Nachlaß von Schütz'Witwe war, bestätigt eine auf ihn bezügliche Eintragung in der Berkaer Kirchenchronik , in der es heißt:". . . er hatte von Frau Eleonore Schütz Badeinspektorswitwe 1000 Taler u. a. geerbt. Es war ihm der Freiheitsdrang und das Geld in den Kopf gestiegen." Hierzu schreibt Stadtarchivar Ludwig Hafner, seiner Meinung nach hätte Friedel genau gewußt, was er wollte, als es ihn als freiheitlich-demokratisch denkenden Mann im kleinbürgerlichen Berka nicht mehr hielt: "Für mich steht fest, daß er die geerbten Stücke, das Notenheft mit der Handschrift Goethes, das Autograph von 1826, das Stammbuch der Familie Schütz mit dem Goethevers über die Felsenburg Buchfart und vielleicht auch noch andere Sachen bei seinem Weggang nicht veräußerte, sondern mit nach Amerika nahm. Einzig die Bilder, sie waren ihm zu sperrig und wer kannte damals in Amerika schon Schütz?!" 345 Goethe Yearbook Schon drei Jahre nach seiner Auswanderung starb Friedel in Amerika. Die Vermutung, daß er das Bach-Notenheft mit dem handschriftlichen Goethegedicht für Schütz und andere Autographen bei der Auswanderung mitnahm, verstärkt sich noch dadurch, daß 1970 eine Goethehandschrift aus dem Besitz von Schütz in Chicago im Autographenhandel auftauchte. Es handelt sich um einen Einzeldruck der Festgedichte...

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