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PHILIPPE GUILBERT Welche neuzeitlichen Strategien für die Rettung der antiken Mythologie? Vergleich von drei "Handbüchern zur Götterlehre,, um 1790: K.W. Ramler—Ch. G. Heyne / M.G. Hermann—K. Ph. Moritz ANHAND DER DISKURSIVEN ANALYSE VON drei exemplarischen "Handbüchern zur Götterlehre" um 1790 möchten wir einen besonderen Aspekt der Mythologie-Debatte, die am Ende des 18. Jahrhunderts stattfand, ins Licht setzen. Bis jetzt sind die Thesen der markantesten Philosophen dieser Zeit gründlich analysiert worden (von Herder bis zu F. Schlegel und Schelling), aber gerade das Phänomen des "Handbuchs" als diskursive Formation und pragmatische Bearbeitung des mythologischen Stoffes ist von der Forschung meistens ver-nachlässigt worden.1 Die methodologischen Ansatzpunkte unserer Analyse ergeben sich aus der pragmatischen Funktion und diskursiven "Intention," die einem solchen Medium zugrunde liegen. Im Unterschied zur Analyse einer theoretischen oder polemischen Schrift besteht ein "mythologisches Handbuch" wesentlich in dem Versuch die "antiken Götter und Heroen" für eine bestimmte Gesellschaft verfügbar und anwendbar zu machen. Ein Handbuch setzt eine besondere Bearbeitung und Darstellung eines gegebenen Stoffes voraus, wobei die Intention des Autors immer darin besteht, den bearbeiteten Stoff den ideengeschichtlich vorgegebenen Ansprüchen eines besonderen Publikums, einer Gesellschaft oder einer ganzen Kultur anzupassen. Dieser "didaktische" Vorgang setzt auf zwei verschiedenen Ebenen ein: erstens auf der Ebene des Materials selbst, das heißt für unser Beispiel erstens auf der Ebene der Bearbeitung der zahlreichen Quellen aus der Antike, zweitens auf der Ebene der mediologischen Darstellung des ausgewählten Materials (alphabetisch, narrativ, historisch, usw.). Warum aber müßten wir uns plötzlich für "Handbücher" interessieren, die an sich philosophisch nicht von großer Bedeutung zu sein scheinen, und warum gerade um diese Zeit, um das Jahr 1790? Weil gerade um diese Zeit die Zahl der Veröffentlichungen Goethe Yearbook 187 von Handbüchern die antike Mythologie betreffend symptomatisch steigt, wie aus dem Verzeichnis der Berliner Staatsbibliothek zu ersehen ist: Christian Tobias Damm, Einleitung in die Götterlehre und Fabelgeschichte der Griechischen und Römischen Welt. Nebst einem Anhang von ganz neuen Kupfern.Berlin 1765; 2.Auflage Berlin 1786. Karl Wilhelm Ramler, Allegorische Personen zum Gebrauch der bildenden Künstler. Mit Kupfern von Bernhard Rode. Berlin 1788. Christian Ludolf Reynhold, Akademie der bildenden schönen Künste, nebst einer vollständigen Mythologie . . . Münster und Osnabrück 1788. Martin Gottfried Hermann, Handbuch der Mythologie aus Homer und Hesiod, als Grundlage zu einer richtigem Fabellehre desAlterthums mit erläuternden Anmerkungen begleitet. Benin und Stettin 1787. Band II1790. Karl Wilhelm Ramler, Kurzgefaßte Mythologie oder Lehre von den fabelhaften Göttern, Halbgöttern und Helden desAlterthums.ThI. I-II, Berlin 1790. Karl Philipp Moritz, Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz. Mit fünfundsechzig in Kupfer gestochenen Abbildungen, nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Altertums. Berlin 1790. Karl Wilhelm Ramler, Allegorische Personen zum Gebrauch der bildenden Künstler. Als ein Anhang zu K.W. Ramlers Kurzgefaßter Mythologie. Nebst einem Register über das ganze Werk. Berlin 1791 · Karl Philipp Moritz, Lexikon mythologicum, oder mythologisches Handund Lehrbuch für Künstler und Kunstliebende von E R. G. [?]. Durchgesehen und verbessert von CG. Müller. 2 Theile. Berlin 1791. Paul Fried Nisch^ewes mythologisches Wörterbuch nach den neuesten Berichtigungen für studirendeJünglinge und angehende Künstler. Leipzig 1793. Karl Philipp Moritz, Mythologisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schulen. Fortgesetzt von Schmidt. Berlin 1794. 188 Philippe Guilbert Aber Mythologie beschäftigt auch sehr die offiziellen KulturAnstalten in Preußen. In den zwei Berliner Akademien stellt man fest, daß in der Akademie der Wissenschaften einmal pro Jahr über Mythologie vorgetragen wird und daß in der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften die Veröffentlichung der Götterlehre des Dichters und Professors Ramler zum Gegenstand einer internen Polemik wird. Akademie der Wissenschaften:1 26. Sept. 1788: J.-P. Erman:"Sur les erreurs en fait de langage et de littérature qui ont influé sur la mythologie des anciens peuples." 20. Aug. 1789: K.W. Ramler "Über den Gebrauch der Mythologie in neuern Zeiten." 10. Juni 1790: Gedicke "Sur les divers systèmes employés pour l'explication de la Mythologie." 17...

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