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Goethe Yearbook 313 Peter Matussek, Hrsg., Goethe und die Verzeithchung der Natur. Kulturgeschichte der Natur Ui EinzeldarsteUungen. München: C. H. Beck, 1998. 571 pp. "Die Zeit," so lautet Goethes bekannte FeststeUung gegenüber Ekkermann , ist "ein wunderUch Ding," ein "Tyrann, der seine Launen hat, und der zu dem, was einer sagt und tut, Ui jedem Jahrhundert ein ander Gesicht macht" (25. 2. 1824). Die Verzeitlichung der Natur büdet das Leitmotiv dieses Sammelbandes, Ui dem Fachgelehrte aus unterschiedUchen Disziplinen der schülernden Thematik Herr zu werden suchen. Die Vermutung Uegt nahe, daß Goethe selbst den überzogenen FormuUerangen des Umschlagtextes so kaum zugestimmt hätte: Vom "epochalen Umbrach" einer "Ablösung der Zeit vom Raum" gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist hier die Rede, der gemeinsam mit der "natürlichen Ordnung" auch "das kultureUe Gefüge insgesamt Ui Bewegung" geraten Ueß. Endet die Naturgeschichte Un Verlauf dieser Sattelzeit? Oder handelt es sich dabei vornehmüch um einen gängigen Topos kulturhistorischer Gelehrsamkeit Ui Moderne und Postmoderne? Der erste TeU des Bandes bringt neun Aufsätze zum Thema "Historisierung ." Hugh Barr Nisbets Vergleich von Naturanschauung und Geschichtsdenken bei Herder und Kant bemüht sich um eine kontextueUe Situierung des unzeitgemäßen Goethe und gerät durch Mißachtung des wichtigen gemeinsamen Vordenkers Rousseau Ui die mißüche Lage, weder Goethes Zeitgebundenheit noch seine anhaltende AktuaUtät recht erklären zu können. Dennoch handelt es sich hier um eine sehr lesenswerte Diskussion der zahüeichen Berührungspunkte und Differenzen der dichtenden und denkenden Trias Un HinbUck auf die (seit Buffon) chronologisch stark erweiterte Erdgeschichte, die Entwicklung der Lebewesen und die jeweüs unterschiedliche theoretische Fundierung von Natur- und Geschichtsbüd. Während der auf mathematisch -physikalische Nachweise beharrende Kant spekulativen AnalogiebUdungen eine strikt ümitierte heuristische Funktion bei der FormuUerung (hypothetischer) Naturgesetze einräumt, zeichnet sich bei Herder ein tendenzieU hemmungsloser Gebrauch des von Goethe umsichtiger gehandhabten Zauberschlüssels ab. Herder jongüert vergleichsweise unbekümmert zwischen den Bereichen von Metaphysik, Physik, Biologie und Moral (Psychologie) und substituiert empirische Beweise durch terminologische Konsistenzen. Nisbet betont Goethes Vorbehalte gegen den Newtoiüaner Kant einerseits, die Affinität zum neoplatonischen Gedankengut bei Herder anderseits, ohne den durchg ängigen Skeptizismus des Empirikers Goethe zu unterschlagen. Dennoch adaptiert Nisbet Schülers Urteil über den allzu süinüchen Goethe: Die Verwahrung des Naturwissenschaftlers gegenüber spekulativen Vorstößen ins (noch) UnerforschUche habe ihm den Horizont seüies Naturverständnisses (Un Vergleich mit Herder) unvorteilhaft beschr änkt. Dorothea Kuhn analysiert Goethes Geschichtsdenken Un Zusammenhang mit der Entwicklung der Aspekte Beschreibung, Biographie und Historie Ui der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft. Dietrich 314 Book Reviews von EngeUiardt bietet eme differenzierte und Un Gegensatz zu den seit dem 19. Jahrhundert kursierenden Fehleinschätzungen differenzierende Behandlung von Goethes Verhältnis zur romantischen Naturforschung und metaphysischen NaturphUosophie. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal Goethes bestehe m der "spezifischen Verbindung von Ästhetik, PhUosophie, Wissenschaft und Biographie" (59), also in eben jener flexibel-unverwüstlichen Interdiszipünarität, die schon das Werk des auch Ui diesem Beitrag ignorierten 'Vaters der Romantik ' (Rousseau) kennzeichnete. Einen äußerst gelungenen Anschluß an die von EngeUiardt aufgefächerte Problematik üefern Jürgen Barkhoffs Reflexionen zur "Polarität von Wissenschaft und Dichtung bei Goethe," die sich mit den "Tagund Nachtseiten des anünaüschen Magnetismus" beschäftigen und das "kalkuüerte Anspielungs- und Aussparungsverfahren" Goethes Un HinbUck auf die Kennzeichnung der eigenen schwankenden Position beleuchten (75). Der Lichtseite der Aufklärung verschrieben, zeichnet sich Goethe durch eine inkulante Haltung gegenüber Zuckenden, Somnambulen oder gar der Entzifferung von Manuskripten mit den Fingerkuppen (zu Lavaters Ehefrau, vgl. 82) aus. Trotzdem habe Goethe Distanz zum Experimentbegriff Newtonscher Prägung gehalten, mit dem zeitgenössische Kommissionen dem unter Scharlatanerieverdacht stehenden Mesmerismus und verwandten Phänomenen zu Leibe rückten . Für Goethe, so Barkhoff, "war die romantische VorsteUung, daß Krankheit zur Erkenntnis privüigere, als Mensch und Wissenschaftler ein Unding" (83). EUi "ambivalentes Verhältnis zur romantischen NaturphUosophie " und "Systemfreude" (84) finde Ui Goethes dichterischer Produktion insofern eine Bestätigung, als die animalmagnetischen Figuren der Wahlverwandtschaften und die Somnambulen der Wanderjahre den "Ausgrenzungsgestus des Naturforschers" zugleich bestätigen und unterlaufen (87). Auf diese Weise habe Goethe das Inkommensurable "Ui Geschichten" und als "Kontrafakturen" zur szientistischen ZivUisationsm...

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