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  • "Ihr liebt und schreibt Sonette! Weh der Grille!" Die Sonette Johann Wolfgang von Goethes
  • Elke Dreisbach
"Ihr liebt und schreibt Sonette! Weh der Grille!" Die Sonette Johann Wolfgang von Goethes. Von Katrin Jordan. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2008. 332 Seiten. €48,00.

Mit Katrin Jordans Buch liegt zum ersten Mal nach fast vierzig Jahren wieder eine monographische Untersuchung zu Goethes Sonetten vor, die zuletzt in ihrer Gesamtheit von Hans-Jürgen Schlütter in dessen Abhandlung Goethes Sonette 1969 betrachtet wurden. Ein Grund dafür, dass die Sonette eher selten als Gesamtwerk die Forschung beschäftigen, liegt darin, dass sie nicht als solches konzipiert und publiziert sind. Es gibt insgesamt 25 Sonette, von denen die "Sammlung Sonette" mit 17 Gedichten die zahlenmäßig größte Gruppe bildet. Es handelt sich dabei um eine 1807 entstandene, zunächst nur 6 Sonette umfassende Sammlung, die teilweise erstmals 1815 und vollständig erst 1827 in der Ausgabe letzter Hand veröffentlicht wurde. Diese Sammlung weist als einziger Teil von Goethes Sonettdichtung eine gewisse Geschlossenheit oder auch zyklische Anlage auf. Außer ihr stehen nur einzelne weitere Sonette, wie vor allem "Natur und Kunst" aus dem Vorspiel "Was wir bringen" und "Das Sonett" im Blickpunkt der Forschung. [End Page 283]

Jordan untersucht nun nicht nur alle Sonette Goethes, sondern will diese auch als einen in sich geschlossenen lyrischen Komplex verstehen. Zum Nachweis ihrer These knüpft sie an neuere Arbeiten zur Sonettforschung im Allgemeinen und zu Goethes Lyrik im Besonderen an. Es handelt sich im ersten Fall um die Überwindung eines normativ verstandenen Sonettbegriffs und eine Hinwendung zu einem kombinatorisch bzw. historisch aufzufassenden Formverständnis in den Untersuchungen von Erika Greber, Andreas Böhn und Thomas Borgstedt (38–42), und im zweiten Fall um die Abkehr von der Bewertung der Sonette als Erlebnisdichtung und die Erneuerung eines strukturalistischen Ansatzes bei Marianne Wünsch (75–78) bzw. einer Lesart der Sonette als allegorische Dichtungen bei Gerhart von Graevenitz (78–79). Aus diesen Forschungsergebnissen gewinnt Jordan ein Interpretationsmuster, das auf jedes Gedicht gleichermaßen angewendet und mit der sperrigen Wortformel "manieristisch-topischintertextuell kombinatorisch" (42) bezeichnet wird. Im Einzelnen werden darunter verstanden: die Reflexion der Form im Sonett selbst, der Einsatz vielfältiger tradierter rhetorischer Stilmittel, die Rekurrierung auf literarische Vorlagen und die Verwendung formalartistischer Mittel wie Reim- und Zahlenkombinatorik.

Die Verfasserin wendet diese Vorgaben in einer Reihe von Einzelanalysen an. Sie geht dabei im Prinzip chronologisch nach der Entstehungszeit der Sonette vor, die im Zeitraum zwischen 1799 und 1813 verfasst wurden. Dabei teilt sie die Gedichte aufgrund formaler Merkmale in einzelne Gruppen ein, wie beispielsweise die schon bei Schlütter so bezeichneten "Polemischen Sonette," und innerhalb der "Sammlung" die "Brief-Sonette" und "Dialog-Sonette," wobei nicht alle Gedichte einer Kategorie zugewiesen werden. Die Sonette sind jeweils vollständig nach dem Text der Frankfurter Ausgabe abgedruckt. Die Einzeluntersuchungen bilden so weit wie möglich eine kursorische Abfolge, d.h. jede Detailanalyse versucht an vorangegangene Kapitel anzuschließen. Jordan geht detailliert am Text der Gedichte entlang und listet ausführlich formalanalytische, insbesondere metrische, prosodische und sprachlich-stilistische Beobachtungen auf. Sie behandelt ferner die Rezeption literarischer Vorlagen, was dem Nachweis des "Zitatcharakters" (309) der Sonette dienen soll, und die Verwendung bestimmter textübergreifender Motive und Themen wie z. B. die Anspielung auf antike Mythologeme.

Die Beobachtungen sind allerdings zum großen Teil bereits in der Forschung gemacht worden, wie vor allem die neueren kommentierten Ausgaben der Frankfurter und Münchner Ausgabe und die Studienausgabe von Erich Trunz erkennen lassen. Ein neuer Erkenntnisgewinn wird auch deshalb nicht erreicht, weil die jeweiligen Eigenarten der einzelnen Gedichte durch die auf einen Gesamtkomplex hin zielende Interpretation zu sehr eingeebnet werden, indem jede Einzelanalyse eine Verbindung zwischen den Sonetten untereinander nachzuweisen versucht, ohne jedoch Besonderheiten, die sich etwa aus dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund und aus einer sich bei Goethe verändernden Haltung zur Form des Sonetts ergeben, ausreichend zu berücksichtigen. Die Autorin konstatiert zwar eine Ungleichartigkeit ("Heterogenität," 305) der Sonette, wertet diese aber gemäß ihrer These als Freiraum zur Variabilität dichterischen Schaffens. Das Verbindende der Gedichte untereinander sieht Jordan in einer nahezu in allen Sonetten wiederkehrenden Variation des Themas "Natur und Kunst," wobei beide Begriffe unzureichend auf den Gegensatz...

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