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  • (K)ein Wunder, daß wir nicht singen Neuerscheinungen der Kafka-Forschung
  • Andreas Härter
Kafka-Handbuch. Leben—Werk—Wirkung. Herausgegeben von Oliver Jahraus und Bettina von Jagow. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008. 576 Seiten. €49,90.
Franz Kafka und die Weltliteratur. Herausgegeben von Manfred Engel und Dieter Lamping. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2006. 379 Seiten. €49,90.
Franz Kafka. Neue Wege der Forschung. Herausgegeben von Claudia Liebrand. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2006. 256 Seiten. €39,90.
Odradeks Lachen. Fremdheit bei Kafka. Herausgegeben von Hansjörg Bay und Christof Hamann. Freiburg: Rombach, 2006. 366 Seiten. €42,00.
Kafkas Institutionen. Herausgegeben von Arne Höcker und Oliver Simons. Bielefeld: transcript, 2007. 328 Seiten. €29,80.
Kafka and Photography. By Carolin Duttlinger. New York: Oxford University Press, 2007. xiv + 280 pages + 22 b/w halftones. £55.00.
Lachen lesen. Zur Komik der Moderne bei Kafka. Von Peter Rehberg. Bielefeld: transcript, 2007. 296 Seiten. €29,80.
Franz Kafka. Aporien der Assimilation. Eine Rekonstruktion seines Romanwerks. Von Bernd Neumann. München: Fink, 2007. 224 Seiten. €24,90.
Franz Kafka. Romane. Von Klaus-Detlef Müller. Berlin: Schmidt, 2007. 149 Seiten. €16,80. [End Page 245]

"Es wird hier viel geschrieben," sagte K. und blickte von der Ferne auf die Akten hin.*

—Kafka, Das Schloß

Der Rede von der Unlesbarkeit Kafkas steht—geradezu provokativ—die unüberschaubare Fülle der Publikationen zu seinem Werk gegenüber, die selbst längst zu einem (Einleitungs-) Topos der Forschung geworden ist. Die vermeintliche 'Unlesbarkeit' scheint die Literaturwissenschaft von Textexegesen nicht abzuhalten, ist vielmehr seit langem zu einem der zentralen Themen der Forschung avanciert—und sie hindert auch jene Forscherinnen und Forscher nicht am Weiterschreiben und -publizieren, die sie ernst zu nehmen vorgeben. Darin liegt eine gewisse Koketterie und natürlich Ironie, aber auch eine Not: Nur weil Kafkas Texte 'unlesbar' sind, sind sie noch lange nicht nicht lesbar; es fragt sich nur, welchen Status ihre prekäre Lesbarkeit geltend machen kann, da sie diese ständig ebenso generieren wie zersetzen. Die Forschung hat gelernt, mit dieser Not umzugehen: durch deren Thematisierung einerseits, durch Erkundung der Diskurshorizonte, in denen Kafkas Texte stehen, andererseits. An Produktivität der inventio mangelt es nach wie vor nicht; die diskursgeschichtlichen Zugänge, die in der aktuellen Kafka-Forschung eine dominierende Rolle spielen, eröffnen, wie die im Folgenden vorgestellten Publikationen belegen, vielfältige Differenzierungen—selbstredend ohne der Frage der (Un-)Lesbarkeit zu entgehen.

Jubiläumsgerecht ist 2008 das neue Kafka-Handbuch erschienen, herausgegeben von Bettina von Jagow und Oliver Jahraus. Das Handbuch setzt einen persönlich gehaltenen Auftakt: Nach eigener Aussage machen es die Herausgeber Kafka anlässlich seines 125. Geburtstages zum Geschenk. Diese Sympathieerklärung an einen Autor, den die Forschung wie kaum einen anderen bis in die intimsten Bereiche seziert, semiotisiert und publiziert hat, entzieht Kafka für einen Augenblick dem Zugriff der Wissenschaft, schenkt ihm einen Moment der freundlichen Diskretion—eine Geste an ein privates Individuum, das es nach bald einem Jahrhundert der Investigation nicht mehr gibt, eine unmöglich gewordene menschliche Geste.

Das neue Kafka-Handbuch übernimmt seinen Titel von Hartmut Binders 1979 erschienenem Kafka-Handbuch in zwei Bänden. Dieses stellte in großer Detailfülle und strenger Systematik Kafkas Leben, Werk und Wirkung dar, und demselben Programm verschreibt sich explizit auch sein Nachfolger: [End Page 246] "Leben—Werk—Wirkung," so der Untertitel des Handbuches, nun allerdings unter Verzicht auf allzu detaillierte Einzelinformationen, und unter Verzicht auch auf eine ins Einzelne gehende Systematik. Vor allem Letzteres hat seine Ambivalenz. Binders Handbuch mochte detailversessen und methodisch eng angelegt sein, aber andererseits gewährte und gewährt es dank verästelter Gliederung einfache Übersicht, und man weiß methodisch jederzeit, woran man ist. Das kann—gerade für Kafka-Leser, die auf informative Zugänge zu Kafka angewiesen, also noch keine Experten sind—als großes Plus gelten. Das neue Kafka-Handbuch hingegen ist methodisch vielgestaltiger—was der Fachkultur gewiss entspricht—und systematisch offener, damit aber auch unübersichtlicher und im methodologischen Selbstausweis nur bedingt klar. Anders gesagt: Das neue Kafka-Handbuch ist eher ein Buch für das gründliche Lesen als zum Nachschlagen.

Die Trias "Leben—Werk—Wirkung" wird übersetzt in vier thematische Teile: "Der Mensch zwischen Leben und Werk"; "Werk...

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