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Reviewed by:
  • Reading Heinrich Heine
  • Ralph Häfner
Reading Heinrich Heine. By Anthony Phelan. Cambridge: Cambridge University Press, 2007. xiv + 307 pages. $95.00.

Anthony Phelan legt mit seinem Buch eine Reihe von mehr oder weniger selbständigen Aufsätzen vor, die auch zum Teil bereits an anderem Ort erschienen waren, hier jedoch in überarbeiteter Form dargeboten werden. Der Zusammenhalt des in elf Kapitel unterteilten Werks stellt sich dem Leser durch jene 'Lektüreerfahrungen' dar, die der Titel ankündigt. Reading Heinrich Heine entfaltet in den ersten drei Kapiteln Interpretationen von Werk und Person Heinrich Heines, die tiefe Spuren in der literarisch interessierten Öffentlichkeit des 20. Jahrhunderts hinterlassen haben. In einem konzisen Überblick fasst der Autor noch einmal die wohlbekannten Hauptgesichtspunkte zusammen, von denen die literaturpolitischen Deutungen eines Karl Kraus, Theodor W. Adorno und Helmut Heißenbüttel bestimmt worden sind. Der Wert des Buchs hat sich mir in zunehmendem Maße durch eine Analyse des Heine'schen Stils erschlossen, dem Phelan oft überraschende und in dieser Form in der Forschung noch nicht bedachte Facetten abgewinnt. Nach einem Kapitel über das Buch der Lieder, das dem Verhältnis von "Selbstdarstellung" und "Authentizität" gewidmet ist, untersucht der Autor Heines Reisebilder insbesondere im Hinblick auf die Darstellung der Großstadt. Heines "Techniken der Anspielung und Assoziation," seine "Zitierkunst" und "mnemonische Verfahrensweise" fordern, so Phelan, eine "esoterische Leserschaft" heraus, die in einem "Akt der Entzifferung" die zensurbedingt verschlüsselten Botschaften Heines zu dechiffrieren vermag (vgl. 99f.).

Der zweite Teil trägt den Titel "The real Heine." Auch hier wieder setzt Phelan zunächst mit einem Heine-Bild ein, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine prominente Rolle gespielt hat. In einer spannenden Rekonstruktion (Kapitel 6) zeigt der Autor, wie Heines Gedichte durch eine radikale Adaption in den Anthologien Stefan Georges und Rudolf Borchardts uminterpretiert und in die Vorgeschichte des Symbolismus gleichsam eingeschrieben wurden. Die Funktion dieses Kapitels als Auftakt des dem "wirklichen Heine" gewidmeten Teils ist mir indes nicht klar geworden. In den beiden darauf folgenden Kapiteln 7 und 8 beschäftigt sich Phelan mit dem Atta Troll und dem Börne-Buch ("The real Heine: Atta Troll and allegory" bzw. "Ventriloquism in Ludwig Börne: eine Denkschrift"). Nach einer Darstellung der bekannten Editionsgeschichte des komischen Versepos wendet sich der Autor einer detaillierten [End Page 117] Analyse einzelner Abschnitte des Atta Troll unter den stilistischen Aspekten der Parodie, Digression und Sprachvirtuosität zu. "Heines prismatische Autorschaft" (149) führe zur fortgesetzten Affirmation einer kritischen Haltung, der aber keine wirklichen Festlegungen entsprechen. Dieser von Heine forcierte Widerstand gegen eine griffige Interpretation der verschiedenen Bedeutungsebenen sei für den Leser entmutigend. Die Motivation für diese Verweigerung eines kohärenten und für den Leser plausiblen Bedeutungsgefüges sieht Phelan zumal in dem Börne-Pamphlet gegeben. Heines Börne-Schrift ist für ihn vor allem ein Werk der "Frivolität," die sich in einer Strategie der Beiläufigkeiten und Zerstreuungen manifestiere. Der auf das scheinbar Nebensächliche gerichtete Blick Heines unterlaufe Börnes Forderung nach Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit durch Witz ("wit") und Komik ("facetiousness") (vgl. 156f.). Diese Frivolität zeige sich nirgends deutlicher als in Heines politischer Haltung, die schlechthin "unberechenbar" sei (158). Ich glaube, dass Phelan damit den Grund des Werks präzis gefasst hat. "The Börne book," so der Autor, "remains neither an apologia nor a critique, but instead contests the authority of a style" (160). Wesentliches Merkmal dieses Stils sei das Verfahren, durch Collage eine Kohärenzstruktur herzustellen, die sich auf ein Ensemble immer wiederkehrender Leitmotive gründe (177).

Der dritte Teil, "Parisian Writing," enthält zwei Kapitel, die sich mit Heine intellektueller Entwicklung seit den 1840er Jahren befassen: der Berichterstattung der Lutezia ("Scheherazade's snapshots: Lutetia") und der späten Lyrik ("Mathilde's interruption: archetypes of modernity in Heine's later poetry"). Auch wenn die "politische Hermeneutik" Heines in der Lutezia oft analysiert worden ist, so gehört Phelans Lektüre der Pariser Berichterstattung für mich zu den spannendsten Kapiteln des Buchs. Heines dekorativer Stil der Arabeske korrespondiert nach Phelan der endlosen Erzählung Scheherazades aus "Tausendundeiner Nacht," die am Ende indes keine Auflösung erfährt (vgl. 188). Diese Oszillation zwischen daguerreotypischer Darstellung der Fakten...

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