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  • Goethe und der Tanz. Tänze—Bälle—Redouten—Ballette im Leben und Werk
  • Waltraud Maierhofer
Salmen Walter, Goethe und der Tanz. Tänze—Bälle—Redouten—Ballette im Leben und Werk. (Terpsichore: Tanzhistorische Studien 5). Hildesheim [u.a.]: Olms, 2006. 138 pp.

Wie oft wird in Faust getanzt? Welche Tänze führen Lotte und Werther aus? Aus welchem Gedicht stammt der Vers “Tanzen gehöret zum festlichen Tag”? Welche Bedeutung hatte geselliges Tanzen um 1800? Wie lassen sich typische Tänze beschreiben, etwa Allemande, Cotillon oder Polonaise? Wie unterschieden sich Tänze des Volkes und der Adligen? Was waren das für Bälle, auf denen Christiane Vulpius manches Paar Schuhe durchtanzte und sich bis in würdiges Alter vergnügte? Und der Autor selbst? Konnte er Menuett oder Walzer tanzen? Stimmt es, daß Goethe auch choreographierte und Bälle und Redouten gestaltete, und zwar nicht widerwillig, und daß die “Maskenzüge” tänzerische Elemente hatten? [End Page 247] Beruht die Beschreibung des mysteriösen “Eiertanzes,” den Mignon in Wilhelm Meisters Lehrjahre ausführt, auf einem zeitgenössisch bekannten und verbreiteten Tanz? Die Antworten auf solche Fragen findet man nicht in gängigen Lexikaeinträgen zu Goethe.

Walter Salmen, durch mehrere Monografien ausgewiesener Kenner der Tanzgeschichte (darunter Der Tanzmeister. Geschichte und Profile eines Berufs vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Hildesheim: Olms, 1997; mit Gabriele Busch-Salmen und Christoph Michel Mitherausgeber von Der Weimarer Musenhof. Stuttgart und Weimar: Metzler, 1998) ist überzeugt, daß der Tanz mit seiner Kombination von Musik, Bewegung, Festlichkeit und Geselligkeit (die Erotik nicht zu vergessen!), Goethes Kreativität “befördern half” (133). Seine positiven Äußerungen über Volkstänze und das Vergnügen daran unterschieden den Geheimrat außerdem von vielen der zeitgenössischen Elite. Salmen hat mit diesem Buch ein bisher in der Goetheforschung als marginal eingeschätztes und vernachlässigtes Thema ausgeleuchtet. Er hat eine Fülle von Material zusammengetragen und übersichtlich dargestellt, das deutlich macht, welch große Rolle Tanz und tänzerische Bewegung in Goethes Werk, aber auch in seiner Biografie spielten. Dieses Material reicht vom Umgang mit Tanzmeistern bis zu Kindertänzen und Seiltanz, von Balletten und Redouten bis zu “nationalen” Tänzen und Reihen. Salmen beschreibt Volkstänze (Schleifen, Drehen, Walzen) und ihre Orte sowie natürlich die Standardtänze der höheren Gesellschaft (Menuett, Polonaise, Allemande, Englischer, Ecossaise, Quadrille, Cotillon, Walzer). Bei den Ballveranstaltungen, zu denen neben Hofball und Hausball auch Ressourcenball, Tanztees und Schlittenfahrt mit Ball gehören, sind die Details des Umfelds wie Kleidung und Requisiten nicht vergessen. Die Rezensentin vermißt nur Recherchen zum Eiertanz.

Das handliche Buch wird bereichert durch zahlreiche, gut gewählte Abbildungen und Musikbeispiele. Ballkleidung, Tanzstätten, verschiedene Gruppen bei Volkstänzen in Thüringen, aber auch in Tirol und Neapel, ferner Musikensembles, aber auch Tanzaufstellungen und -schritte werden dadurch zusätzlich anschaulich und die Ausführungen dazu bereichert. Die Musikbeispiele stammen aus Goethes Nachlaß und sind bisher ungedruckt (z. B. eine Quadrille von Carl Eberwein, dem Weimarer Musikdirektor, der u. a. die Hausmusiken im Hause Goethe wesentlich gestaltete; außerdem Hopswalzer und Dreher aus Straßburg und anonyme Tanzmusiken vom Weimarer Hof). Andere stammen aus einschlägigen Publikationen der Zeit wie Heinrich Christoph Kochs Musikalischem Lexikon (Frankfurt/M. 1802), dem Taschenbuch für Brunnen und Badegaeste (Leipzig 1794) oder Terpsichore, dem “Taschenbuch der neuesten gesellschaftlichen Tänze” (Würzburg 1824), an das der Titel Terpsichore der vom Autor herausgegebenen Reihe von tanzhistorischen Studien bei Olms anschließt.

Goethe, so streicht Salmen heraus, war nicht nur ein guter, geübter und williger Tänzer: “Das Tanzen war für ihn wie auch für seine engere Mitwelt ein unverzichtbares Mittel der Selbstdarstellung in Gebärden, der gesellschaftlichen Ortung, der strengen körperlichen Übung, der nonverbalen Körpersprache, der Selbstfindung und Freisetzung aus Zwängen des ancien régime wie auch des bürgerlichen Zeitalters” (4). Noch 1813 schrieb er, dass “Spiel und Tanz unser Blut erfrischen” (zitiert 2). Salmen hat ein anregendes und gelungenes Buch zum Tanz bei Goethe vorgelegt. [End Page 248]

Waltraud Maierhofer
University of Iowa
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