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Reviewed by:
  • Ferdinand von Saar. Richtungen der Forschung. Directions in Research. Gedenkschrift zum 100. Todestag
  • Jean M. Snook
Michael Boehringer, Hrsg. Ferdinand von Saar. Richtungen der Forschung. Directions in Research. Gedenkschrift zum 100. Todestag. Wien: Praesens, 2006. 205 S. € 24.30. ISBN 978-3-7069-0329-5.

Diese im Juli 2006 rechtzeitig zum 100. Todestag von Saars erschienene Gedenkschrift hat auf dem Einband mit Genehmigung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek ein attraktives Photo von Ferdinand von Saar (1833–1906) mit ergrautem Bart, aber ersichtlich noch in den besten Lebensjahren. So soll man diesen Autor gedenken. Der Band enthält elf disparate Beiträge, deren lockere Anordnung der Herausgeber in seiner Einleitung erklärt. Jedoch ist Boehringer die gewählte thematische Anordnung u. E. nicht ganz geglückt, weil die Artikel an den wichtigen ersten und letzten Stellen qualitativ [End Page 293] nicht zu den besten gehören; also beginnt und endet das Buch schwach. Auch der fünfte Artikel scheint uns einer Überarbeitung bedürftig zu sein.

Die übrigen acht Artikel lohnen sich durchaus. Sowohl kompositorisch als auch inhaltlich ragen vier Artikel hervor, deren Autoren es verstehen, ihr Wissen aus anderen wissenschaftlichen Gebieten gut nutzbar auf von Saars Werke zu beziehen. Larissa Polubojarinova (St. Petersburg) schreibt einen gewandten Vergleich von von Saars Ginevra und Iwan Turgenjews Erzählung Frühlingsfluten. Der Artikel basiert auf ihrer Kenntnis des Gesamtwerks beider Dichter, korrigiert einiges aus der bisherigen interdisziplinären Forschung und trägt viel zum Verständnis für von Saars Werk bei. Virginia L. Lewis (Aberdeen, South Dakota) steuert einen einleuchtenden Artikel über “Agency and Morality in the Age of Commodification” bei. Sie gebraucht Begriffe aus der neueren Soziologie, um explizite zu erläutern, was von Saar schon implizite in Die Steinklopfer beschrieben hat. Helmut Kuzmics (Graz) untersucht das Verhältnis zwischen Bürgertum und Aristokratie in der habsburgischen Armee anhand militärgeschichtlicher Statistik, die die zunehmende Aufnahme von Bürgern in das Militär darstellt. Jedoch zur Zeit von von Saars Leutnant Burda herrschten die heroischen feudalen Tugenden, vor allem die “Ehre,” immer noch vor, und in diesem historischen Zusammenhang haben wir Burdas Benehmen zu verstehen. Boehringer (Waterloo) schließt sich dem neueren wissenschaftlichen Interesse an sozialem Geschlecht und biologischem Geschlecht an, um zu zeigen, wie Burda schon vom Aussehen her zum Scheitern verurteilt ist, weil er dem Männlichkeitsideal der Zeit nicht entspricht.

Detef Haberland (Köln) geht einem stilistischen Merkmal von den Novellen aus Österreich auf den Grund, indem er sie mit den zeitgenössischen lebenden Bildern vergleicht, die nur visuelle Endergebnisse darstellen. Gerade dadurch verlieren sie den Pulsschlag des Lebens. Burkhard Bittrich (Bonn, Deutschland) interpretiert von Saars Erzählung Exzellenzherr als eine Wiener Elegie, wobei er von Saar selbst will-kommenerweise zu Wort kommen lässt, indem er ausführlich aus seinen schönen Gedichten zitiert. Florian Krobb (Maynooth) präzisiert die Definition von Dekadenz und beweist, dass von Saar, trotz seines Gebrauches vieler Dekadenz-Motive, im Grunde ein Realist bleibt, eben weil er die Figur des décadent nicht ästhetisiert.

Jens Stüben (Oldenburg), Mitherausgeber der Bände 6–9 der kritischen Saar-Ausgabe, informiert über die seit 1980 fortlaufende Editionsarbeit. Jeder Band der Ausgabe umfasst fünf Abschnitte: Text, Kritischer Apparat, Text- und Wirkungsgeschichte, Deutung, und Bibliographie. Der Gedanke liegt nahe, dass das Vorhandensein neun solcher Bände die von Saar Forschung wesentlich befördern würde, aber zumindest in dieser Gedenkschrift wird noch überwiegend von Jakob Minors 1908 Ausgabe der sämtlichen Werke in zwölf Bänden zitiert.

Der Herausgeber hat sich viel Mühe gegeben, die elf Artikel zum Buch zusammenzubringen: in der Einleitung fasst er den Inhalt jedes Artikels übersichtlich zusammen. Die jeweiligen Erklärungen zur zitierten Ausgabe sind begrüßenswert einheitlich. Hinten im Buch befinden sich informative “Biographische Notizen,” und sogar ein nützliches Gesamtliteraturverzeichnis hat er angefertigt. Das edel gebundene Buch ist handlich und auf qualitätsvollem Papier gedruckt. Aber das Schriftsetzen lässt einiges zu wünschen übrig. Man hätte dieselbe Druckschrift wie für die Artikel auch für die Fußnoten und die Literaturverzeichnisse beibehalten sollen, wo die Verkleinerung allein genügt, um sie gegen den Text abzusetzen. Statt dessen erscheinen die Fußnoten und...

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