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Reviewed by:
  • Das Dilemma des weiblichen Ich
  • Brigitte E. Jirku
Das Dilemma des weiblichen Ich. Von Renata Cornejo. Wien: Praesens, 2006. 245 Seiten. €24,30.

In ihrer Studie über die Konstitution des weiblichen Ich in Werken von drei österreichischen Autorinnen greift Renata Cornejo poststrukturalistische feministische Diskurse der achtziger Jahre auf. Nachgegangen wird der Rezeption der französischen Poststrukturalistinnen in den Werken von Elisabeth Reichart (Februarschatten, Komm über den See), Anna Mitgutsch (Die Züchtigung, Das andere Gesicht) und Elfriede Jelinek (Die Klavierspielerin). Die Verfasserin der Studie geht nicht weiter auf eine Definition des Begriffs Feminismus ein, sondern setzt ihn durch die Situierung in der poststrukturalistischen Diskussion der achtziger Jahre voraus. Obgleich der theoretische Apparat nicht im Zeichen der aktuellen Diskussion steht, bietet die Analyse neue Einblicke in das Frühwerk von Elisabeth Reichart und Anna Mitgutsch. Zwar wird der Begriff des weiblichen Ichs als historisch veränderbare Zuschreibung definiert und die spezifisch weibliche Erfahrung als nicht eindeutig zu definierende Instanz berücksichtigt, nichtsdestotrotz wäre eine Präzisierung in der Definition von Begriffen wie "weiblich" und "Frau" oder "Ich" und "Subjekt" der Untersuchung zugute gekommen.

In den ersten drei Kapiteln der Studie stellt Renata Cornejo die theoretischen Grundlagen dar und situiert die Autorinnen innerhalb der feministischen Diskussion der achtziger Jahre. Im ersten Kapitel hebt sie hervor, dass der Weg der Frau zu einem eigenen Selbst immer wieder über die Mutter führt. Ebenso ist der kreative Prozess nach Luce Irigaray und Hélène Cixous ein mütterlicher: Schreiben wird zum Geburtsakt. Die Mutter-Tochter-Beziehung steht daher bewusst im Vordergrund der Analyse, wobei die von Irigaray und Cixous verwendeten Metaphern für weibliches Schreiben und Fruchtbarkeit zusammengefasst werden, ohne sie weiter zu problematisieren. Nicht zuletzt bei den Stellungnahmen der drei Autorinnen zu Begriffen wie Feminismus, Frauenliteratur oder Literatur von Frauen wäre eine kritische Hinterfragung der von ihnen geäußerten Meinungen angesagt gewesen. Welche impliziten Meinungen schwingen hier mit? Welchen Begriff von Feminismus vertritt jede einzelne? Soll/darf frau den Aussagen der Autorinnen zu ihrem eigenen Schreiben trauen? Zum Beispiel sagt Reichart, dass sie sich mit den Theorien der französischen Feministinnen nie auseinander gesetzt hat, dennoch lesen sich ihre Erzählungen Fotze oder La Valse wie eine Umsetzung von Cixous' theoretischen Schriften.

Bevor die einzelnen Werke diskutiert werden, skizziert die Verfasserin die Beziehung der drei Autorinnen zu Ingeborg Bachmann. Bachmann ist in dem Schaffen der Autorinnen auf die eine oder andere Weise sehr präsent. Dass Bachmanns Einfluss auf Jelinek, Mitgutsch und Reichart nicht wegzudenken ist, sollte und konnte jedoch nicht Zweck dieser Studie sein. Ihr Einfluss spielt denn auch bei den Einzelanalysen [End Page 163] kaum eine Rolle. Zentraler als Bachmanns Einfluss auf die Autorinnen erscheint mir im Kontext der Untersuchung die Frage, wie sich die weibliche Identität über das Mutterbild definiert.

Kapitel vier bis sechs der Studie widmen sich der Analyse der ausgewählten literarischen Texte im Hinblick auf folgende thematische Schwerpunkte: der Ausschluss aus der Sprache, die Frau in der Geschichte und das Ich als Subjekt. Aufgezeigt wird, wie durch die Sprache und die individualisierte Verarbeitung der Geschichte sich ein eigenes weibliches Subjekt artikulieren kann. Der Mutter kommt bei diesem Prozess eine zentrale Mittlerrolle zu und zugleich agiert sie als große hindernde Kraft. In Elisabeth Reicharts Werken Februarschatten und Komm über den See führen die Erinnerungsarbeit und das kulturelle Gedächtnis von Seiten der Erzählerin zur Konstitution eines weiblichen Ichs. Solange die Mutter die Erinnerung und die Sprache verweigert, bleibt das weibliche Ich im Objektdasein fixiert. Die Tochter kann erst ein Ich konstituieren und somit Subjekt werden, wenn sie die verinnerlichte Geschichte der Mutter durch den Zugang zu Sprache verarbeiten kann. Mit dem Verweis auf die zentrale Rolle der Katze als Symbol der Weiblichkeit wird zwar immer wieder auf das Tabuthema Sexualität zwischen Mutter und Tochter verwiesen, dieses aber in der Analyse ausgeklammert. Geht die LeserIn jedoch von dem Postulat der französischen Poststrukturalistinnen aus, so ist der Körper ein essentieller Teil des weiblichen Ichs und konstituiert sich durch die Schrift. Verfolgt man die Analyse von Reicharts Texten, so konstituiert sich das weibliche Ich hauptsächlich als öffentliches Subjekt und sucht seinen Platz innerhalb der partriarchalen Geschichtsschreibung.

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