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Diltheys' philosophische Anthropologie PETER KRAUSSER ])AS GENERALTHEMA der philosophischen Anthropologie unserer Tage k6nnte man mit Scheler als die Frage nach der Stellung des Menschen im Kosmos bezeichnen: nach seiner Stellung in der Natur, im Tierreich, in der Gesellschaft und in der Natur. Dutch alle diese Fragen zieht sich wie ein Grundton die nach der menschlichen Freiheit, ihrer Wirklichkeit und M6glichkeit, ihrer Sicherung und Gef~ihrdung, ihrem Wovon und Woffir, ihrem Wie und Worin. Diltheys Generalthema war ein anderes. Aber bei seiner Bearbeitung fielen nicht zuf~illig wichtige Gedanken zu den uns interessierenden Fragen gewissermassen nebenbei an. Diltheys Hauptmotiv war, wie uns scheint, die fiir den Historiker und Philosophen der Geschichtswissenschaften natfirlicherweise prominente Frage nach dem sachlichen Ursprung der Geschichtlichkeit des Menschen und seiner geistigen Welt. Dieses Motiv ist unter dem Aspekt des Wissenschaftstheoretikers zugleich die Frage nach einer allgemeinen Grundlegung der Geschichts--und Geisteswissenschaften. Diltheys Gedankengang zu der entsprechenden Grundfrage und diese selbst lassen sich nun in gr6sstm6glicher Verkfirzung und Vereinfachung etwa so darstellen: Geistige, geschichtliche Tatsachen sind uns nur als gebunden an und auf der Grundlage yon physischen Tatsachen gegeben (X.43/4). Und physische Faktoren des Milieus (ira weitesten Sinne dieses Wortes) beeinflussen "die physische und geistige Entwicklung des Menschen, der V61ker, der menschlichen Gesellschaft" (V.252; vgl. 250-272). Es gibt also einen Zusammenhang zwischen physischen Tatsachen einerseits, geistigen andererseits. Das mindert allerdings nicht im geringsten die Verschiedenheit dieser Tatsachen , die Verschiedenheit des Inhaltes yon Natur und Geisteswissenschaften . In den Geisteswissenschaften selbst erscheinen zwar auch Tatsachen der Natur, jedoch "fiberall nur als Milieu, Bedingung, Mittel." f0ber ihnen, wie "gleichsam auf einer Fl~iche liegend" (V.253), kommen Werte, Wertsetzungen , Zwecke und Zwecksetzungen mit ihren eigenen systematischen [21I] 212 HISTORY OF PHILOSOPHY Zusammenh~ingen zu ihnen hinzu. In den Geisteswissenschaften sind also untrennbar zwei Grundklassen yon S~itzen enthalten: die theoretischen und die praktischen S~itze.Jene sagen, was ist, diese, was sein soil. "Sonach gilt es" (n/imlich fiir eine Grundlegung der Geisteswissenschaften) "den Zusammenhang zu finden, in welchem aus dem Wesenhaften der grossen menschlichen Lebensbet~itigungen die Normen derselben hervorgehen." (V.267) Eine erste Formulierung der direkt in Richtung auf eine Anthropologie fiihrenden Frage nach der Grundbedingung der Geschichtlichkeit des Menschen und damit tier systematischen und historischen Geisteswissenschaften lautet demgem~iss: "K6nnen wit erkennen, wie die in der Natur des Menschen gegrtindeten, sonach iiberall vorhandenen Vorg~inge... verkniipft (sind) mit seiner Variabilit~it, seinem geschichtlichen Wesen?" (VI. 108). Die Frage nach dieser Verknfipfung l~st sich pr~izisieren als die nach dem Verh~ilmis und Zusammenhang von Wirklichkeit, Weft und Zweck, also den genannten drei Faktoren in aller Geschichte. Dieselbe Frage, anders gewendet, geht auf den Funktionszusammenhang in einem wahmehmenden, ffihlenden und wollenden Wesen (VII.117) Wieder anders gewendet ist es die Frage nach dem Zusammenhang der drei Arten von S~itzen und Begriffen in allen Geisteswissenschaften: a) den Aussagen i.e.S., b) den Werturteilen und c) den Feststellungen von Zwecken, Regeln und Normen. Auf diese Fragen antwortet Dilthey mit dem, was wir hier als seine philosophische Anthropologie darstellen und was also zugleich seine Grundlegung ffir die Geisteswissenschaften ist. A. Die Grundstruktur des Lebens. Werturteile und Zwecksetzungen, bewusste Zweckt~itigkeit sind uns nur beim Menschen bekannt. Ein vom Menschen her gesehen zweckmiissiges, Faktoren der Wirklichkeit teils abweisendes , teils aneignendes--also gewissermassen bewertendes--Verhalten zeigen aber auch alle Tiere. Fragen wir also nach den natfirlichen und vorwissenschaftlichen Bedingungen der Eigenart des Menschen, so liegt es nahe, eine Grundbedingung in einer entsprechenden Grundstruktur des Lebens, nicht nut des Menschen, zu suchen. So verf~ihrt Dilthey in der Tat. Und zwar sieht er--damit seiner Zeit welt voraus--die Grundstruktur des Lebens als einen in bestimmter, beschreibbarer Weise geordneten Zusammenhang yon Organismus und Umwelt. Und er beschreibt die Struktur dieses Zusammenhangs als das, was man heute einen Regel--oder Steuerkreis, ein System mit Rfickkopplung und Selbstregulation oder ein dynamisch stabiles System nennt. Obwohl ihm natiirlich alle diese Begrifle noch fehlen, gelingt ihm die Beschreibung in etwas roher, abet doch eindeutiger Weise. Ich zitiere und ffige nur einige verbindende Worte ein: "Eindruck und DILTHEYS' PHILOSOPHISCHE 218 Reaktion auf denselben, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, das ist das Schema eines Lebewesens." (X.48, Unterstr. v. uns) "Die von der animalischen...

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