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MLN 116.3 (2001) 606-608



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Book Review

Continued Existence, Reincarnation, and the Power of Sympathy in Classical Weimar


Lieselotte E. Kurth-Voigt, Continued Existence, Reincarnation, and the Power of Sympathy in Classical Weimar. Rochester, NY: Camden House, 2000. 264 pages.

Die Vorstellung, das individuelle Leben sei mit dem Tode nicht zu Ende und habe möglicherweise auch nicht erst mit der Geburt angefangen, scheint so etwas wie eine Illustration ihrer selbst zu sein: durch die Jahrtausende hindurch kehrt sie immer wieder, in neuen Verwandlungen und an anderen Orten. Davon handelt dieses Buch: von den zwar dualistischen, aber nicht-christlichen Varianten, denen zufolge die Seele nach dem Verlassen des Körpers irgendwann einmal 'wieder eingefleischt' wird (lat. re-incarnatio, griech. met-ensárkosis oder auch met-empsy'chosis).

Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die Versionen dieser Vorstellung in der griechisch-römischen Antike, das zweite berichtet von der Auseinandersetzung der Kirchenväter und der Kabbala mit ihnen, das dritte von ihrem Wiederaufleben in der Zeit der Frühaufklärung (Toland, van Helmond, Leibniz u.a.) und das vierte von den Nachrichten über asiatische Reinkarnationsvorstellungen, die im Laufe des 18. Jahrhunderts nach Europa gebracht worden sind, vor allem von den ersten englischen Orientalisten seit den 1760er Jahren.

Natürlich liegt es fast schon gewohnheitsmäßig nahe, einen historischen Abriß voranzustellen, aber in diesem Fall ist es doch mehr als das, eine glückliche kompositorische Entscheidung nämlich. Wie sich später herausstellt, konzentrieren sich die einleitenden Kapitel unauffällig auf dasjenige, was im 'klassischen Weimar' rezipiert worden ist, so daß es dann im Hauptteil nur noch kurz angetippt zu werden braucht, und schon stellt sich ein angenehmes déja-vu-Erlebnis ein. Und zum anderen wird beiläufig begreiflich, warum die Idee einer Seelenwanderung ausgerechnet im rationalistischen Zeitalter erneut attraktiv geworden ist: sie enthält Erklärungsangebote für sonst Unerklärbares und doch Erklärungsbedürftiges. Zwei Momente sind da vor allem zu erwähnen.

Das erste Moment ist die Eröffnung der Möglichkeit, das Theodizee-Problem zu temporalisieren. Die Rechtfertigung Gottes für den lamentablen Zustand der Welt fällt leichter, wenn ein individuelles menschliches Leben als das gerade aktuelle Element einer Serie oder Pluralität gedacht werden kann. Denn das Ärgernis, daß es notorisch Bösen wohlergeht, während Gerechte leiden müssen, läßt sich zumindest entschärfen, wenn nicht gar beheben, durch die Annahme, daß die einen dann in einem nächsten Leben schon noch zur Kasse gebeten werden und die anderen den Grund für ihr Leiden in einem früheren Leben selbst gelegt haben. Die Gerechtigkeit Gottes ist dann eine de la longue durée.

Als wichtiger aber noch erweist sich ein zweites Moment, das Phänomen der Sympathie, und das ist nicht nur eine gewisse Zuneigung oder das Gefühl, es mit einer netten Person zu tun zu haben. Sympathie im Sinne des 18. [End Page 606] Jahrhunderts ist vielmehr die überwältigende wechselseitige Erfahrung der Gleichgestimmtheit zweier und ihrer spontanen innigen Vertrautheit auf den ersten Blick, wie wenn sie (eben:) in einem früheren Leben eng miteinander verbunden gewesen wären: "Ach, du warst in abgelebten Zeiten /Meine Schwester oder meine Frau". Dieses Wie-wenn oder Als-ob hat seine unverkennbaren sozusagen taktischen Vorteile. Von Sympathie oder von sympathetischen Beziehungen redend, konnte man Reinkarnation implizieren, ohne sich geradezu zum Glauben an sie bekennen zu müssen, welches Bekenntnis in den Zeiten einer immer noch wachsamen kirchlichen Orthodoxie auch nicht ganz risikolos war. Darüber hinaus aber lassen Stichwörter Sympathie und sympathetisch (anders als Reinkarnation und seine Äquivalente) die Sache in einer fast spielerischen Unentschiedenheit, die gegebenenfalls dem Ernst ganz und gar nicht abträglich ist und jedenfalls einen ganz eigenen Reiz hat. Der Hauptteil des Buches stellt zahllose Varianten dieser Doppelrede vor, wobei es gar nicht so wichtig ist, ob die Wahl der direkten oder der indirekten Redeweise eine Frage der Taktik oder eine der subjektiven Gewißheit oder auch 'nur' eine des poetischen Effekts ist.

Die reichste Ausbeute bieten die Schriften Wielands...

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