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MLN 115.3 (2000) 560-567



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Book Review

Tragedy and Comedy.
A Systematic Study and a Critique of Hegel


Mark William Roche, Tragedy and Comedy. A Systematic Study and a Critique of Hegel. Albany: State University of New York Press, 1998. 450 pages.

Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? Thomas Bernhards amüsierte Fragen lassen sich nicht nur auf literarische Texte, sondern auch auf die Theorie dieser Texte selbst beziehen. Gattungstheorie heute: Eine Komödie? Eine Tragödie? Wer angesichts der Einebnung von Gattungsunterschieden eine Untersuchung dramatischer Genres vorlegt und diese überdies auf Hegel fußen läßt, hat mit Vorurteilen und Mißtrauen zu rechnen: Kann ein kategoriales Netz hegelscher Prägung die Vielzahl und die Überschneidungen literarischer Formen angemessen erfassen? Erwartet den Leser ein angestaubtes Denken, das (post)modernen ästhetischen Erfahrungen nicht gerecht wird? Doch muß, wer von der Überschreitung der Gattungsgrenzen spricht, Gattungen voraussetzen und folglich bereits über einen Gattungsbegriff verfügen. Genau diese Denkfigur erlaubt es Mark Roche, sich auf überraschend frische Weise mit einem voreilig verabschiedeten Thema zu befassen: der Untersuchung von Tragödie, Komödie und Versöhnungsdrama. Geduldig und mit argumentativer Klarheit setzt er sich im ersten Teil seiner umfangreichen Studie mit gängigen Einwänden gegenüber Gattungstheorie im allgemeinen und Literaturwissenschaft hegelscher Inspiration im besonderen auseinander und begründet seinen Versuch, traditionelle Positionen auf ihre Relevanz für die heutige Theoriebildung zu befragen und diese Befragung von einem hegelianischen Standpunkt aus durchzuführen.

Zunächst grenzt Roche sich gegen doxographische Ansätze ab, die vergangene Positionen lediglich referieren bzw. aus deren Vielfalt auf die Unmöglichkeit einer normativ ausgezeichneten Gattungsdefinition schließen, oder eine solche Definition zum Schutze der Spezifität des Einzelwerkes ablehnen. Theorien, die von vornherein die Überlegenheit heutiger Überzeugungen gegenüber den Einsichten der Tradition annehmen, hält Roche für dogmatisch: es komme vielmehr darauf an, die Argumente für und wider eine Position zu überprüfen. Auch sei nicht einzusehen, welchen Nutzen eine bloß historische oder pragmatische Behandlung des Gattungsproblems habe. Der Schluß, alle Gattungsbestimmungen seien nichts als historisch-relative [End Page 560] Ansichten, müsse sich gefallen lassen, selbst als bloß historisch-relativ abgetan zu werden. Zwar sei es richtig, daß Gattungen sich geschichtlich in gewandelter Gestalt präsentieren und historisch evoluieren, doch könne dieser Wandel überhaupt erst von der Perspektive gleichbleibender Eigenschaften aus wahrgenommen werden; mithin spreche gerade das Interesse an Unterschieden für ein Herausstellen von Gemeinsamkeiten. Doch wie sollen diese Gemeinsamkeiten gefunden werden? Nicht auf induktivem Wege, argumentiert Roche, denn nach welchen Kriterien sollen die Beispiele ausgewählt werden, wenn nicht nach denen, die doch allererst gefunden werden sollen? Also deduktiv. Aber wie sollen die Prinzipien gewonnen werden, aus denen deduziert wird? Wären diese Prinzipien bloß hypothetischer Natur, unterschiede sie nichts von jenen Positionen, die Roche kritisch widerlegt hat. Sie müssen folglich mehr als bloß axiomatisch sein. Zu solchen Prinzipien will Roche durch transzendentale Argumente gelangen, Argumente also, die die verschwiegenen und gleichwohl unhintergehbaren Voraussetzungen geltungsbezogener Diskurse aufdecken. Als Vorbild dient ihm Hegel, dessen Dialektik er als die immanente Kritik und Selbstaufhebung einseitig verabsolutierter Kategorien rekonstruiert. Hegels Methode soll auf die Kategorien Tragödie, Komödie und Versöhnungsdrama sowie diverse Zwischenstufen angewandt werden. "This process," schreibt Roche, "allows us to develop a network of logical categories, all self-generated and interrelated." (14) Von diesem kategorialen Netzwerk nehme auch die konkretere, offene Diskussion ihren Ausgang. Auf diese Weise könnten Leistung und Grenze einzelner Genres gewürdigt, ihre Verbindungen untereinander herausgearbeitet, Strukturvergleiche durchgeführt und eine Hierarchisierung der Gattungen vorgenommen werden. Hegels Methode impliziere keineswegs, daß man jede Einzeleinsicht Hegels übernehmen müsse. Man könne vielmehr mit Hegel gegen Hegel über Hegel hinaus denken.

Wie wendet Roche diesen Ansatz auf Ästhetik, Literaturwissenschaft und Dramentheorie an? Die Kunst, sagt er, sei "truth in sensuous form," (17) wobei unter Wahrheit nicht die korrekte Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern "a coherent array of insights" (21) verstanden wird, "insights," welche durchaus einer verbesserungswürdigen Realität widersprechen oder zur Korrektur einer unterkomplexen Philosophie beitragen könnten. Daher werde...

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