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  • Berlin Alexanderplatz: Radio, Film, and the Death of Weimar Culture
  • Ulrich Thiele
Peter Jelavich . Berlin Alexanderplatz: Radio, Film, and the Death of Weimar Culture. Weimar and Now 37. Berkeley: U of California P, 2006. US$ 39.95. ISBN 0-520-24363-3.

Eine Demokratie muss wehrhaft sein, will sie sich nicht antidemokratischen Kräften hilflos ausliefern. Zugleich ist die Meinungsfreiheit eines der höchsten Güter einer jeden demokratischen Gesellschaft. Besonders kompliziert muss sich dieser Konflikt in einer Gesellschaft gestalten, in der der demokratische Grundkonsens fehlt.

Eine solche Gesellschaft existierte in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen. Ihrem Namen nach berief sie sich auf die humanistischen Wurzeln Deutschlands in Weimar, doch in weiten Teilen war sie von antirepublikanischen Überzeugungen be-stimmt. Peter Jelavich zeigt in seiner Studie Berlin Alexanderplatz: Radio, Film, and the Death of Weimar Culture am Beispiel dreier Versionen von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz, wie die Weimarer Republik an ihrer Unfähigkeit zerbrach, den Schutz der Demokratie mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu verbinden.

Das Objekt seiner Fallstudie ist gut gewählt: Berlin Alexanderplatz erschien zuerst 1929 als Roman, sollte 1930 als Hörspiel ausgestrahlt werden und fand 1931 seinen Weg in die Kinos. So kann Jelavich anhand eines Grundtextes die Entwicklung dreier Medien in der Weimarer Republik zur Zeit der Weltwirtschaftskrise exemp-lifizieren. Die Veränderungen, die im Zuge der Adaption des Romans für Radio und Film vorgenommen wurden, stehen dabei nicht nur für die Anforderungen des jeweiligen Mediums, sondern vor allem für die politischen, kommerziellen und gesellschaftlichen Interessen, die die Radio- und Filmproduktion formten.

Um es nicht vollständig Politik und Wirtschaft auszuliefern, wurde das Radio in der Weimarer Republik als staatliche Einrichtung konzipiert. Infolgedessen herrschte aufgrund der konservativen Übermacht im Staat in den politischen Inhalten ein rück-wärtsgewandter Tenor vor. Mit dem Kulturprogramm verhielt es sich ähnlich: Nur langsam brachen neue, moderne, "funkische" Formate die Dominanz von klassischer Musik, Theaterstücken und Vorlesungen.

Eines dieser neuen Formate war das Hörspiel, das als ästhetische Rechtfertigung des Radios großen Erwartungen unterlag. Doch auch als kulturelles Prestigeprojekt stand die Umsetzung von Döblins avantgardistischem Roman unter dem Einfluss der konservativen Zensur. So wurden politische, religiöse und homosexuelle Thematiken, die im Roman zentrale Rollen spielen, in einem Akt präventiver Selbstzensur ent-fernt. Das neue Medium erbrachte auch andere Modifikationen, insbesondere die Konzentration auf den Protagonisten Franz Biberkopf, während im Roman die Stadt Berlin die Hauptrolle spielt. Trotz der Entschärfung und Umorientierung des Stoffes enthielt das Hörspiel Die Geschichte vom Franz Biberkopf noch viele innovative [End Page 85] Elemente, wie die akustischen Brücken zwischen verschiedenen Szenen und den Einsatz übermenschlicher Stimmen.

Doch der überraschende Wahlerfolg der Nationalsozialisten im September 1930 veränderte die politische Öffentlichkeit nachhaltig. Das martialische Auftreten der Rechtsradikalen auf der Straße und ihr Einfluss durch gesellschaftliche Organi-sationen lösten eine "Angstpsychose" aus, die schließlich auch zur Absetzung von Döblins Hörspiel führte. Diese erfolgte vordergründig aus künstlerischen Gründen, war aber offenkundig durch die Angst vor einer gewalttätigen Reaktion der Nationalsozialisten motiviert. Damit war Die Geschichte vom Franz Biberkopf "das erste Opfer der Nazis auf den Radiowellen," und ein weiterer Schritt hin zur Unterdrückung des kulturellen Schaffens getan.

Obwohl sich die Filmproduktion, im Gegensatz zum Radiowesen, in Privat-besitz befand, unterlag sie der Zensur durch Filmprüfstellen. Dabei sollte keine "Geschmackszensur," sondern eine "Wirkungszensur" ausgeübt werden. Folglich galten politische Inhalte nicht generell als verboten, sondern nur, wenn sie zu staatsfeindlichen Aktionen aufriefen. Darüber hinaus sollten "Gegenwerte" künst-lerisch wertvollen Filmen eine größere Freiheit verschaffen. Entgegen dieser Ab-sicht führte die Zensurpraxis aber vielmehr zu einer zunehmenden Verkitschung. Damit kamen die Produzenten einerseits dem Publikumsgeschmack entgegen und entgingen andererseits den kostspieligen Eingriffen der republikfeindlich gesinnten Zensurbehörden.

Das Verbot von All Quiet on the Western Front, der amerikanischen Verfilmung des Bestsellers von Erich Maria Remarque, hatte 1930 eine verheerende Signalwirkung. Unter Konstruktion abenteuerlicher Verbotsgründe beugten sich die staatlichen Stellen dem Druck der Straße. Diese Willkür der Zensurbehörden stürzte auch die Produzenten der Verfilmung von Berlin Alexanderplatz in größte Unsicherheit und...

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