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Reviewed by:
  • Das Drama der Souveränität. Hugo von Hofmannsthal und Carl Schmitt
  • Michael Niehaus (bio)
Marcus Twellmann, Das Drama der Souveränität. Hugo von Hofmannsthal und Carl Schmitt. München: Fink, 2004.

Mit dem 'Drama der Souveränität,' um das diese Studie kreist, ist zunächst einmal Hofmannsthals spätes Trauerspiel Der Turm gemeint. Darüber hinaus aber deutet der ebenso einfache wie schlagende Titel an, daß es um die Affinität von Drama und Souveränität schlechthin geht. Bei Hofmannsthal erwächst die Haupt- und Staatsaktion daraus, daß der über ein eher sagenhaftes Polen herrschende König Basilius seinen Sohn Sigismund in einen Turm verbannt hat, weil ihm prophezeit wurde, von diesem gestürzt zu werden. Ihre weitere Entfaltung bietet Anlaß für die Reflexion und Darstellung von Souveränität als Problem. Wie man weiß, hat sich Hofmannsthal im Zuge der Neufassung des Mitte Turm der zwanziger Jahre mit den souveränitätstheoretischen Lehren Carl Schmitts auseinandergesetzt. Bisher hatte die Forschung dies allerdings nicht zum Ausgangspunkt ihrer Deutungsbemühungen um dieses dunkle Trauerspiel gemacht.

Aber Tniehaus.s scharfsinnige Studie beschränkt sich nicht nur darauf, diese Lücke zu schließen. Er unternimmt vielmehr den Versuch, das Drama aus seiner im weitesten Sinne souveränitätstheoretischen Problemstellung zu rekonstruieren. Dabei dient dieser Ansatz nicht nur einer 'Verortung' des Turm, sondern auch der Theorien, mit deren Hilfe er sich beschreiben läßt. Als Grundlage dienen zunächst theoretische Diskurse, die auch Hofmannsthal zur Kenntnis genommen hat. Das sind neben Carl Schmitts politischer Theologie etwa Walter Benjamins Gedanken zum barocken Trauerspiel, Georg Simmels Theorie des Geldes und Sigmund Freuds Studie über Totem und Tabu, aber auch Max Webers Ausführungen zur Herrschaftssoziologie oder Hans Kelsens Überlegungen zum Verhältnis von Recht und Staat. Das heißt aber nicht, daß es sich hier um ein im engeren Sinne diskursanalytisches Unterfangen handelt. Der an der Souveränität als Problem orientierte Ansatz Tniehaus.s ermöglicht es vielmehr, auch Theorien einzuarbeiten, die in den Fragestellungen dieser Diskurse zwar angelegt sind, aber erst später ausformuliert wurden, und die für eine adäquate Beschreibung des Turm unabdingbar sind. Hierzu gehören zum Beispiel Ernst H. Kantorowicz, Pierre Bourdieu, Pierre Legendre und die Sprechakttheorie John Austins. [End Page 700]

Realisiert wird dieses ambitionierte Projekt in insgesamt sechs aufeinander aufbauenden Teilen. Der erste Teil, "Der Turm, ein Trauerspiel" erklärt ausgehend von Benjamin, warum Hofmannsthals Drama als Trauerspiel aufgefaßt werden muß, indem es den "Widerspruch" austrägt, "der in der Tragödie nicht gelöst ist" (42). Umgekehrt konstruiere Carl Schmitt den Souverän in Analogie zum tragischen Heros, der mit sprachlichen Handlungen sowohl über den Ausnahmezustand entscheidet als auch neues Recht setzt. Der Logik des imperativen Sprechaktes als solchem geht der zweite Teil nach. Der Weg führt hier von der sprechakttheoretischen Analyse des Befehls bis zu dem Befund, daß die Souveränitätslehre Carl Schmitts, indem sie "die theologischen Begriffe als säkularisierte behandelt," ein "sakrales Moment" bzw. jenes "zeremonielle Unbewußte" verdrängt, das Hofmannsthal in seinem Trauerspiel zur Darstellung bringt (104). In diesem zweiten Teil wird eine Besonderheit von Tniehaus.s Verfahrensweise besonders deutlich: Über weite Strecken entfernt sich die Beweisführung sehr weit von ihrem literarischen Gegenstand, um dessen Sache in den Gefilden der reinen Theorie zu verhandeln und dann unvermittelt zu ihm zurückzukehren. Zu Recht hat der Leser oftmals nicht mehr das Gefühl, eine sogenannte Sekundärliteratur zu einem sogenannten Primärtext vor sich zu haben. Dieser Eindruck ist durchaus gewollt. Er entspricht dem Bemühen, den Bezugstext als einen Problemhorizont zu entfalten.

Der dritte Teil, mit "Nummus Basileus" überschrieben, handelt vom Geld, das in Hofmannsthals Trauerspiel seinen Wert verliert, weil der Herrscher keinen Kredit mehr im Volke hat. Für Tniehaus. ist dies der Einstieg in die Entfaltung der Simmelschen Geldwerttheorie. Dabei wird deutlich, daß es gewissermaßen nur die eine Seite der Medaille ist, daß man ans Geld glauben muß: Es gilt—mit Benveniste—auch umgekehrt, "daß der Glaube strukturell ökonomisch ist" und der Herrscher "sein symbolisches Kapital einer Anleihe verdankt," die "den Kreditgebern nicht bewußt werden" darf (126). Im vierten Teil, "Kritik und Krise," wird das...

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