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Das erste Jahr: Women in German im Goethe Haus New York Gesine Worm Im September 1983 luden wir die WOMEN IN GERMAN, die in oder um New York wohnten, zum ersten Mal zu einem Treffen in der Goethe House-Bibliothek ein. Ich leitete die Bibliothek seit einem halben Jahr und hatte schon damit begonnen, den Bestand an neuerer Literatur von und über deutschsprachige Schriftstellerinnen zu aktualisieren und zu vergrößern, als eine Leserin unserer Bibliothek, die gleichzeitig WiG-Mitglied war, mir von der Organisation erzählte. Das Treffen sollte einen ersten Kontakt zwischen den WiGs und der Bibliothek herstellen, die mit ihren Büchern, Zeitschriften und allgemeinen Informationen den WiGs von Nutzen sein könnte. Würde jemand kommen? Worüber würden wir reden? Wenn alles gut ginge, war vorgesehen, solche Treffen informell zwei- bis dreimal im Jahr stattfinden zu lassen. Gespräche bei einem Glas Wein. An mehr war nicht gedacht. Schon dieser erste Abend brachte eine Kursänderung. Acht Frauen kamen. Viele andere riefen an, entschuldigten sich. Sie arbeiteten abends noch, wohnten zu weit weg oder mußten sich nach einem langen Arbeitstag der Familie widmen. Wir stellten uns einander vor, redeten über uns, über unser Verhältnis zur Literatur. Es war anregend, interessant, das Gespräch sollte bald fortgesetzt werden. Wir beschlossen, uns einmal im Monat zu treffen, um neue Bücher vorzustellen und über Gelesenes zu diskutieren. übersetzungsprojekte entstanden. Neue Frauen kamen dazu — Deutsche, Amerikanerinnen, Deutsch-Amerikanerinnen, durchaus nicht alle Germanistinnen oder schon WiG-Mitglieder und nicht alle erklärte Feministinnen. Gäste waren und sind willkommen, wir schlagen ihnen jedoch vor, daß sie sich nach längstens drei Treffen entscheiden, ob sie weiter mitmachen und somit WiG-Mitglieder werden wollen oder nicht. Beim dritten Treffen gab es eine neue Entwicklung, die schließlich den Charakter unserer Gruppe prägen würde: Gegen Ende des Abends sagte H., wie nebenbei, sie habe da einige Gedichte geschrieben, nichts besonderes, aber ob wir uns neben der Literatur (nämlich der von Anderen) nicht auch mit von uns Geschriebenem beschäftigen könnten; und ob auch andere Frauen aus der Gruppe manchmal etwas schreiben würden? 139 Schweigen erst. Wie beim Treffen der Anonymen Alkoholiker gab erst eine, dann die andere zu, ab und zu etwas zu schreiben. Für die Schublade natürlich. Und auch gar nicht besonders gut. Nach und nach kam heraus, daß viele schon veröffentlicht hatten— nicht viel—eine Geschichte vor einigen Jahren, oder ein Gedicht in einer winzigen Zeitschrift. Wohlgehütete Geheimnisse. Beim nächsten Mal--im Dezember—wollten wir mutig sein und eigene Texte vorlesen. Mut gehörte tatsächlich dazu, zum ersten Mal vor Publikum zu lesen, sich Kritik auszusetzen. Wir hörten Gedichte, Kurzprosa, einen Brief, Auszüge aus einem Krimi und einer Science Fiction-Erzählung. Wir waren überrascht und erfreut über die Vielfalt unserer Themen und Formen. Wir fanden uns gut, lernten ohne falsche Bescheidenheit über unser Schreiben zu sprechen und Kritik und Lob anzunehmen. Ganz neue Themen wurden diskutiert: der Prozeß des Lesens und Schreibens—weibl iche Produktion—Tagebücher—Heimat und Mütter—die Bedeutung von Öffentlichkeit beim Schreiben—Wege an die Öffentlichkeit. Die Idee, eine Sammlung unserer Texte herauszugeben, enstand im Frühjahr 1984, im Sommer lag sie vor: FRAUENFAHRPLAN 1, 113 Seiten, 5.00 Dollar. Die erste Auflage ist fast verkauft. Ob wir eine zweite Anthologie herausgeben werden, wird noch diskutiert. Wir fragen uns, wie wir uns weiterentwickeln werden. Demnächst wollen wir uns zweimal im Monat treffen—ein Zeichen, daß uns die Themen nicht ausgehen. Wir versuchen, eine Balance zu halten, zwischen dem Lesen und Diskutieren unserer Literatur, dem Gespräch über neue Bücher deutschsprachiger Autorinnen in der Bibliothek und der Diskussion über die Literatur, das Schreiben allgemein. Unsere Gruppe besteht jetzt aus 13 Frauen, eine ganz ideale Größe, finden wir. Bei den meisten Treffen sind ein oder zwei Gäste anwesend. Als Gruppe fallen wir sicher aus dem WiG-Rahmen: wir treffen uns nicht in der Germanistik-Abteilung einer Universität, sondern in einem Goethe-Institut; wir beschäftigen uns in der Mehrzahl nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Leserin und Autorin mit der deutschsprachigen Literatur. Wir haben WiG zugegebenerma...

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