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  • Novel Translations: The European Novel and the German Book, 1680–1730 by Bethany Wiggin
  • Fabian Lampart
Bethany Wiggin. Novel Translations: The European Novel and the German Book, 1680–1730Signale: Modern German Letters, Cultures, and Thought. Ithaca, New York: Cornell University Press and Cornell University Library, 2011. 248 pp. US $ 39.95 (Paperback) ISBN 978-0-80147-680-8.

Bethany Wiggin behandelt in ihrer Studie die Geschichte des Romans vor dem Beginn seines Aufstiegs zur führenden Prosagattung im 18. Jahrhundert. Sie erweitert dabei die gattungsgeschichtliche Grundierung methodisch flexibel um sozial-, diskurs-, ideen- und mentalitätsgeschichtliche Ansätze sowie um Aspekte der gender-Forschung. Damit gelingt es, Stationen der Geschichte des Romans transnational zu rekonstruieren. Was sie vor dem Hintergrund einer kulturwissenschaftlich erweiterten Gattungsgeschichte des Romans zwischen 1680 und 1730 beschreibt, ist nichts weniger als eine Geschichte der interkulturellen Transferprozesse und ästhetischen Orientierungen, die sich zwischen Frankreich, Deutschland und England abspielen.

Bevor vor allem im vierten Kapitel die Vermittlung französischer Romane auf dem deutschen Markt beschrieben wird, geht es Wiggin in den ersten beiden Kapiteln der Studie um Veränderungen in ästhetischen Diskursen im deutschen literarischen Feld des 17. Jahrhunderts. Innerhalb der Gattungshierarchie des 17. Jahrhunderts war der Roman – damals noch ein französisches Lehnwort – eine qualitativ mindere Gattung. An Poetiken und poetischen Handbüchern, die im Gefolge von Opitz Buch von der deutschen Poeterey (1624) entstehen, betont Wiggin deren regelpoetische Seite. Im System der rhetorisch-gelehrten Literatur des Barock und der Frühaufklärung erscheint der Roman nach Wiggin durchgängig als eine Gattung, die von den meist in Akademien, Gymnasien oder Sprachgesellschaften sozialisierten Dichtern wegen seiner populären und gegenüber den poetologisch anspruchsvolleren Gattungen relativ voraussetzungslosen Eigenschaften verworfen wird. Diese literarhistorisch nach wie vor prominente Auffassung von der relativen Minderwertigkeit der Gattung Roman unterzieht Wiggin einer kulturhistorischen Kontextualisierung.

Denn ihr zufolge war der Roman um 1700 hochgradig französisch kodiert – und das bedeutete: Unter Romanen verstand man Histoires Galantes und Amours Secrettes, also Textsorten, deren Popularität auf dem Buchmarkt sich umgekehrt proportional zu dem ihnen im literarischen System zugestandenen ästhetischen Wert verhielt. Diese französischen Romane beherrschten nach Wiggin nicht nur den deutschen, sondern auch den europäischen Markt, und zwar über ein intensives Übersetzungswesen, was sich in einem um 1700 bereits voll ausgebildeten internationalen Buchmarkt zeige. [End Page 248]

Die Untersuchung setzt an mit der Restrukturierung des literarischen Feldes im Zeichen der Mode – „Fashion Restructures the Literary Field“ (15) – im ersten Kapitel. Wiggin rekonstruiert hier zunächst die Bedeutung der Lyrik als einer Modeerscheinung im literarischen Diskurs der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sie geht dabei von der Entwicklung des Buchmarkts im 17. Jahrhundert aus: Mit der Entstehung eines Markts „for print novelties – fashionable poetic forms in verse and prose, newspapers and journals“ (19), werde die Bedeutung der in der Regel akademisch sozialisierten Dichter und Literaten im literarischen Feld relativiert. Das bestimmende Phänomen in diesem Prozess sei die Mode: Da Bücher zu „fashionable commodities“ (19) würden, werde das Buch nun über die Grenzen der Akademien und Sprachgesellschaften hinaus zu einem „thing of fashion“ (19). Damit verbunden sei eine Konjunktur der Lyrik – womit sich Wiggin auf die breite Tradition der sogenannten Kasuallyrik bezieht. Das Aufkommen der sog. Alamode-Dichter seit 1640 stelle für die Gruppe der etablierten Dichter eine ernsthafte Herausforderung dar. Die „established poets, members of Germany’s leading language and poetic societies“ (36) begegnen nach Wiggin dem Alamode-Dichter mit einer Strategie regelpoetischer Verbindlichkeitspostulate. Polemiken und satirische Darstellungen – etwa Johann Rists Rettung der edlen teütschen Hauptsprache, wider alle deroselben muthwillige Verderber und alamodesirende Auffschneider aus dem Jahr 1647 (38) – perspektiviert Wiggin als Dokumente einer gegenüber den Marktrealitäten letztlich defensiven Reaktion. Die zahlreichen poetischen Handbücher in der Nachfolge von Opitz’ Buch von der deutschen Poeterey – etwa Georg Philipp Harsdörffers Poetischen Trichter – dienen zwar auch dieser Verteidigung der gelehrt-akademischen Tradition und einer Rechtfertigung des poetologischen Postulats der imitatio. Andererseits sind die Handbücher nach Wiggin, auch wenn sie als Rechtfertigung der Regelpoetik auftreten, durchaus auch Mittel, aus der Lyrik-Mode Gewinn zu schlagen und schnelle Handreichungen zum Verfassen von Gedichten zu bieten. Einwenden ließe sich gegen diese Argumentation, die Handbücher...

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