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  • Ozeanische Affekte. Die literarische Modellierung Samoas im kolonialen Diskurs by Thomas Schwarz
  • Ulrich van der Heyden
Ozeanische Affekte. Die literarische Modellierung Samoas im kolonialen Diskurs. Von Thomas Schwarz. TEIA AG—Internet Akademie und Lehrbuch Verlag: Berlin, 2013. 297 Seiten. €19,95.

Erst in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten hat sich die historische Forschung und in deren Gefolge auch die Literaturwissenschaft—vereint zumeist in den postcolonial studies—verstärkt der “deutschen Südsee” zugewandt. Gemeint ist das flächenmäßig [End Page 139] größte, demoskopisch und wirtschaftlich hingegen kleinste Kolonialgebiet des Deutschen Reiches.

Im Allgemeinen wird derjenige, der sich über die Geschichte des deutschen Kolonialismus informieren möchte, mit den “Schutzgebieten” in Afrika konfrontiert. Viel weniger ist im öffentlichen Bewusstsein bekannt, dass die Deutschen auch in China—in Kiautschou—und in der Südsee—auch Ozeanien genannt—über Kolonialbesitz verfügten. Im Pazifik waren es nicht nur Deutsch-Neuguinea, sondern auch verschiedene Inseln von Melanesien und Mikronesien.

Auch Deutsch-Samoa gehörte für eineinhalb Jahrzehnte zum deutschen Kolonialreich, denn der westliche Teil der Samoa-Inseln befand sich von 1900 bis 1914 unter deutscher Kolonialherrschaft. Das entspricht etwa demjenigen Territorium, welches heute den Staat Samoa ausmacht.

Schon bevor Deutsche ihren Fuß auf die als exotisch geltenden Eilande setzten, verbanden sich in dem nach Kolonien und Weltherrschaft strebenden deutschen Kaiserreich insbesondere in den einschlägigen bürgerlichen Vereinen, Gesellschaften und Verbänden besondere Vorstellungen und wohl auch exotische Gefühle mit der pazifischen Inselwelt. Außenminister Bernhard von Bülow rechtfertigte den Erwerb der Inselgruppe mit ihrem angeblichen “Affektionswert” für Deutschland. Die koloniale Propaganda bediente sich einer rhetorischen Strategie der Exotisierung Samoas.

Wie wohl kaum in einem anderen deutschen Kolonialgebiet kam es zu sexuellen Kontakten zwischen deutschen Männern und einheimischen Frauen. Um diese “Rassenmischung” zu verhindern, entspann sich in Deutschland in jener Zeit eine Diskussion um “Mischehen” und um “Mischlingskinder.” Dieser Disput hatte auch Auswirkungen auf das Leben in anderen deutschen Kolonien. Vor allem ging es um die rechtliche Stellung der nicht-deutschen (oder waren sie es durch Geburt in einem deutschen Kolonialgebiet doch?) Ehefrauen und der sogenannten Bastards, also Kindern, die aus einer Verbindung von Deutschen und Insulanern hervorgegangen waren.

Von einer beginnenden Hybridisierung der kolonialen Gesellschaft auf Samoa in diesem Zusammenhang zu sprechen, dürfte etwas voreilig sein. Dazu war die Anzahl der “Mischlingsbevölkerung” zu gering. Dennoch erregte diese die deutschen Gemüter. Der Fall, dass “deutsche Männer” mit “eingeborenen Frauen” zusammenlebten und sogar Kinder zeugten, war in der Zeit vom Beginn des Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg bis zu den Stammtischen und in Amtsstuben gelangt; jedoch auch im Reichstag wurden Debatten über “Mischlingsehen” geführt. Diese Diskussionen gelangten schließlich auch zu den “Exoten” in der Südsee. Dies hatte jedoch kaum politische Folgen: Der Erste Weltkrieg und der Verlust der Kolonien beendeten die Debatten.

Die von den Kolonialisten diskutierten Kontrollen und Gesetzlichkeiten für Beziehungen zwischen Deutschen und Indigenen erinnern an “rassenideologische” Vorstellungen, die später im Dritten Reich zum Durchbruch gelangten. Insofern gibt das vorliegende Buch der aktuellen Diskussion, inwieweit die Nürnberger Rassenpolitik schon in der kolonialen Gesetzgebung einen Vorläufer hatte, neue Nahrung. Die entsprechende koloniale Gesetzgebung, die vom ehemaligen Gouverneur von Deutsch-Samoa Wilhelm Solf initiiert worden war, konnte nicht mehr umgesetzt werden. Aber die entsprechenden Gedanken und Ausarbeitungen lagen vor.

Im Mittelpunkt der vorliegenden Studie stehen jedoch nicht die Geschichten solcher Vorgänge oder die Rekonstruktion von relevanten juristischen und politischen Diskussionen, sondern sie ist vielmehr fokussiert auf die Widerspiegelung dieser historischen [End Page 140] Prozesse in der deutschen schöngeistigen Literatur, angefangen von den damaligen zeitgenössischen Erzählungen bis hin zur “Wiederentdeckung” Samoas in der deutschen Gegenwartsliteratur.

Dies ist explizit das Thema des vorliegenden Buches. Thomas Schwarz legt ein Vorwort und sieben Kapitel vor, die bis auf eines weiter untergliedert sind. Er analysiert eine Vielzahl der einschlägigen nicht-wissenschaftlichen in deutscher Sprache erschienenen Bücher, die “Samoa” zum Inhalt haben. Einigen widmet er ausführlicher seine Aufmerksamkeit, anderen weniger. Jedoch findet er in allen, wenn auch in unterschiedlichem Maße, “libidinöse Triebkräfte im Kolonialismus” (267), die sich in der untersuchten Literatur widerspiegeln sollen.

In fünf substantiellen Kapiteln stellt er...

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