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  • Anschaulichkeit in Kunst und Literatur. Wege bildlicher Visualisierung in der europäischen Geschichte herausgegeben von Gyburg Radke-Uhlmann und Arbogast Schmitt
  • Seraina Plotke
Anschaulichkeit in Kunst und Literatur. Wege bildlicher Visualisierung in der europäischen Geschichte. Herausgegeben von Gyburg Radke-Uhlmann und Arbogast Schmitt. Berlin und Boston: de Gruyter, 2011. 434 Seiten + 16 farbige Abbildungen. €99,95.

Wer diesen Sammelband aufschlägt, bekommt noch vor dem Inhaltsverzeichnis ein kurzes Vorwort zu den Tagungsumständen sowie eine illustre Adressliste geboten, die in “Vortragende,” “Collegium Rauricum” und “Gäste” unterteilt ist, wobei in der letzten Kategorie offenkundig ausschließlich Personen aufgeführt sind, die aufgrund ihres Status als erwähnenswert einzustufen sind (gut bestallte Professoren, ein Universitätsratspräsident, Stiftungsräte sowie eine Vertreterin des de Gruyter Verlags). Auch bei den Vortragenden, die im August 2007 auf “dem Landgut der Römerstiftung Dr. René Clavel” (v) tagten und deren Beiträge im Band vereinigt sind, handelt es sich um renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus diversen Fachbereichen (Gräzistik, Latinistik, Philosophie, Kunstgeschichte, Romanistik und Anglistik).

Wie die Herausgeber in der Einleitung (1–12) festhalten, war es das Anliegen des Kolloquiums, die “geschichtliche Bedingtheit der ‘neuen’ Fragestellungen” (1), die die aktuellen bildtheoretischen Debatten prägen, in den Fokus zu rücken. Radke-Uhlmann und Schmitt erkennen schon in den antiken Auseinandersetzungen mit dem “Verhältnis von Begriff und Bild, von Denken und Anschauung” (1) zwei grundlegend verschiedene Standpunkte, die über die Jahrhunderte unterschiedlich Einfluss übten: Während die von Platon und Aristoteles entworfene Betrachtungsweise Bild und Begriff in einem Relationsverhältnis sehe, hätten Skepsis, Stoa und Epikureismus Denken und Anschauung autonome Formen des Ausdrucks zugeordnet. Als Ziel der Tagung nennen die Herausgeber die kontrastive Erörterung der Ausformungen dieser Konzeptionen im Laufe der europäischen Geistesgeschichte.

Der Beitrag von Gregor Vogt-Spira (13–34) geht vom “Leitideal der ‘Lebensechtheit’ ” (14 und 15) aus, wie es im Hellenismus und in der Kaiserzeit für bildliche und textuelle Darstellungen gefordert wurde, und fragt nach den dabei relevanten Wahrnehmungsmodi. In Auseinandersetzung mit der römischen Rhetorik untersucht Vogt-Spira das Postulat des ‘Vor-Augen-Stellens’ und kommt zum Schluss, dass gemäß diesem Theoriemodell “eine von außen induzierte sowie eine durch Texte auf dem Weg über phantasia stimulierte Sinneswahrnehmung nicht als verschieden erlebt werden” (21). Aufschlussreich sind die beobachteten Verschmelzungen von enargeia und energeia im Konzept der evidentia, wobei Vogt-Spira die Stationen der Adaptation hervorhebt, ohne auf die dazu einschlägige Forschungsliteratur zu rekurrieren.

Melanie Möller verknüpft—ebenfalls mit Blick auf die römische Rhetorik—Fragen der Anschaulichkeit mit Aspekten der Aufmerksamkeit (35–60). Sie geht davon aus, dass sich beide “[a]ls sinnlich-intellektuelle Grenzphänomene ergänzen” (43), und weist dem von Cicero öfters aufgerufenen Verb intueri eine Schlüsselrolle [End Page 697] zu, da es die Verbindung von Denken und Anschauung inkorporiere. Zur Plausibilisierung der Ausführungen präsentiert Möller umfängliche lateinische Zitate, die ohne Übersetzung geboten werden, was an der intendierten interdisziplinären Leserschaft des Bandes vorbei zielt.

Mit der Unterscheidung von cognitio intuitiva und cognitio symbolica im 18. Jahrhundert beschäftigt sich Stephan Meier-Oeser (61–89). Der Beitrag untersucht zunächst Leibniz’ Differenzierung von anschauender und symbolischer Erkenntnis, indes erstere “noch eindeutig als Vernunft- und nicht etwa als Sinnenerkenntnis konzipiert ist” (64). Wie Meier-Oeser konzise darlegt, erfährt das Begriffspaar im 18. Jahrhundert einen Transformationsprozess, der über diverse Stationen bis zu Kant nachvollzogen wird. Der Aufsatz überzeugt argumentativ; verwunderlich—wenn auch eine Formalie—sind offensichtliche Kommafehler (etwa 62, 64, 68, 69, 71, 72, 87).

Arbogast Schmitt widmet sich in seinem Beitrag laut Titel der “Anschauung und Anschaulichkeit in der Erkenntnis- und Literaturtheorie bei Aristoteles” (91–151). Bedauerlicherweise kommt Aristoteles kaum selbst zu Wort: Der erste Teil des Aufsatzes referiert summarisch Theoreme des antiken Denkers, wobei nur wenige Belege herangezogen werden, der zweite beschäftigt sich mit Euripides und Homer, derweil vereinzelt auf Aristoteles rekurriert wird. Öfters wird neuzeitliche Missinterpretation dem eigenen akkuraten Verständnis entgegengesetzt, indes ohne genauere Angaben zu den Falsch-Verstehern. Dafür finden sich unzählige Hinweise auf Schriften von Schmitt selbst, wobei man den häufig genannten, als “Schmitt 2008b” (140 auch als “Schmitt 1008b”) ausgewiesenen Beitrag im...

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