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  • Georg Forsters literarische Weltreise. Dialektik der Kulturbegegnung in der Aufklärung
  • Helmut Peitsch
Georg Forsters literarische Weltreise. Dialektik der Kulturbegegnung in der Aufklärung. Von Yomb May. Berlin und Boston: de Gruyter, 2011. 331 Seiten. €99,95.

Diese Studie ist die erste Monographie über ein "Gründungsdokument der modernen Reiseliteratur" (1), wie der Verfasser unter Berufung auf neuere internationale, nichtgermanistische Forschung (von Bernard Smith und Nicholas Thomas [5] bis Nigel [End Page 651] Leask [154]) betont: Georg Forsters A Voyage Round the World und Reise um die Welt waren zwar schon Gegenstand einer britischen und einer US-amerikanischen Dissertation, aber weder Vanessa Agnews (Cardiff 1996) noch Joerg Eslebens (Rochester 1999) PhD-Thesis ist bisher als Buch erschienen. So ist es Yomb May, der gegen die bisherige Forster-Forschung den Anspruch einer "Neuevaluation" (38) von Forsters Werk geltend macht. May begreift die Beschreibung der zweiten Reise von James Cook (1772-75) als das Werk Forsters, so dass deren englischer und deutscher Text nicht nur im Mittelpunkt der Studie stehen, sondern alle späteren Texte des Autors nur in ihrer Beziehung auf die Voyage/Reise herangezogen werden. Dabei beweist der Verfasser eine so souveräne Kenntnis von Forsters Gesamtwerk, dass eine Fülle von bisher in der Forschung nicht beachteten Rückgriffen Forsters auf seine und seines Vaters Reise mit Cook deren Spur in Forsters Schreiben belegen. Widersprüchlich äußerst sich May allerdings zu der—wohl deshalb letztlich nicht behandelten—Frage, ob Forsters Parteinahme für die Französische Revolution in einem Zusammenhang mit der Weltreise stehe (238) oder nicht (7).

Die sehr knapp und sehr moderat formulierte Kritik an einer Forschung, die Forsters Teilhabe am kolonialistischen Diskurs der europäischen Expansion verschwiegen oder schöngefärbt habe, hat zur Kehrseite, dass May sich positiv und sehr ausführlich bemüht, Forsters Werk eine—"falsche[r] Aktualisierung" (1) entgegengesetzte—kulturwissenschaftliche Gegenwartsbedeutung zuzuschreiben, ihn nämlich "als Theoretiker der Globalisierung avant la lettre zu begreifen" (2), als Vertreter einer "reflexiven Aufklärung" (4). Das im Wesentlichen auf bundesrepublikanische Autoritäten gestützte Kapitel (II) zur Kulturwissenschaft arbeitet die als postmodern bezeichnete Norm heraus, die als Forderung nach Anerkennung von Pluralität in Gegensatz gebracht wird zu Essentialismus, Dualismus und Asymmetrie. Der Rezensent muss gestehen, dass die sich im Verlauf der Studie verlängernde Liste dessen, was Forster alles antizipiert haben soll, ihn eher enttäuscht hat, weil sie so vorhersehbar ist: von der Multiperspektivität über die Literatur des 20. Jahrhunderts und Bachtin bis zur Postmoderne.

Solider, aber auch aufregender sind die beiden zentralen, aufeinander bezogenen Untersuchungsschritte, deren Ergebnisse May in verschiedenen Kapiteln untergebracht hat. Überhaupt ist zu bedauern, dass der Verfasser auf eine ausdrückliche Begründung des Aufbaus der Arbeit verzichtet hat, denn die in den Darlegungen zum Forschungsstand (I) festgestellten Desiderate sind exakt die Felder, auf die jene zwei Schritte gerichtet sind: die Offenlegung der Teilhabe von Forsters Texten am kolonialistischen Diskurs und die Suche nach einer Erklärung, weshalb dieser in bestimmten Hinsichten in Frage gestellt werden könne (4).

Die Gliederung der Studie bewegt sich vom Kontext (der wissenschaftlichen Entdeckungsreise, III) über die (empiristisch-sensualistische) Erkenntnistheorie des Autors (IV) zum Text: Auf die im Kern als Beschreibung und Reflexion gefasste Form des Textes (V) folgen die Darstellung der Begegnungen zwischen Europäern und Südseeinsulanern (VI) und die Reflexion von deren Folgen (VII).

Während Forsters Teilhabe am eurozentristischen Pazifik-Diskurs in den Kapiteln III, V und VI nachgewiesen wird, erweist sich für die Analyse von dessen Reflexion in Forsters Texten eine Anregung von Nicholas Thomas als wegweisend: Es gehe um die "'reconstruction of indigenous perceptions'" (37). Hier gelingt May der durch [End Page 652] die Fülle der zitierten Stellen überzeugende Nachweis, dass und mit welchen Mitteln Forster eine indigene Sichtweise ins Spiel bringt, vom "abwechselnden Gebrauch der Bezeichnungen 'Wilde,' 'Indianer'oder 'Tahitier'" (70) als reflektiert über die Benutzung der "'eigenthümlichen Namen,'" die "die Betonung der Perspektive der Einheimischen zum Ausdruck" (123) bringe, bis zu der These des Verfassers: "Die Sicht der Einheimischen [. . .] kann nur aus ihren Reaktionen herausgelesen werden" (243). In der Einleitung formuliert May sein Ergebnis zu Forsters 'Einzigartigkeit' so weitgehend wie später nie mehr im Text: "Während...

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