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  • Die Bildlichkeit des lyrischen Textes. Studien zu Hölderlin, Brentano, Eichendorff, Heine, Mörike, George und Rilke
  • Monika Schmitz-Emans
Die Bildlichkeit des lyrischen Textes. Studien zu Hölderlin, Brentano, Eichendorff, Heine, Mörike, George und Rilke. Von Ralf Simon. München: Fink, 2011. 436 Seiten. €56,00.

Mit seinen Studien zur “Bildlichkeit des lyrischen Textes” schließt Ralf Simon an Fragestellungen, Gegenstände und Thesen früherer Publikationen an, insbesondere an die Monographie Der poetische Text als Bildkritik von 2009. Explizit versteht sich die neue Publikation “als exegetische Ergänzung eines theoretischen Diskurses und als Versuch, diesen einzulösen” (9). Der Terminus “Bildlichkeit” darf wohl zu den anre-gendsten und zugleich am stärksten umstrittenen Stichworten im vielstimmigen Diskurs über Darstellung, Repräsentation und Medialitäten, über künstlerisch-literarische Verfahrensweisen, Gestaltungsformen und Werke gezählt werden. Von einem “Begriff” der “Bildlichkeit” wird man dabei wohl nur bezogen auf jeweils spezifische “Bild”-Theorien sprechen können, denn von einem allgemeinen Konsens oder auch nur von Konvergenzen hinsichtlich der Implikationen und der Reichweite von “Bildlichkeit” kann nicht die Rede sein. Vielleicht ist es gerade der Dissens darüber, was “bildlich” heißen soll, welcher den Bildlichkeitsdiskurs so interessant macht. Simon jedenfalls beteiligt sich selbstbewusst an ihm, nimmt dabei teils kritisch Bezug auf die aktuelle Diskussion und bezieht eine eigene Position. Leitend ist dabei, ganz allgemein gesagt, das nachdrückliche Bestreben, Diskurse über “Bildlichkeit” als literatur- und texttheoretische Diskurse zu führen und für die Erschließung literarisch-poetischer Werke fruchtbar zu machen.

Ein erster Teil des jetzt vorgelegten Bandes—betitelt “Theoriebausteine”—führt auf theoretischer Ebene die 2009 entwickelte Konzeptualisierung des poetischen Textes als “Bildkritik” fort. Das Fundament aller folgenden Ausführungen und Interpretationen (gleichsam die Planke in den Sand widerstreitender möglicher Bestimmungen) wird mit dem einleitenden Abschnitt über “Zeige-Sprech-Szenen” gelegt, die ihren eigenen apodiktischen Charakter nicht verhehlen: Simon bestimmt die “poetische Bildlichkeit,” um die es ihm geht, als “nichtsichtbare und zugleich als nicht-innerliche Bildlichkeit” (13). Es geht ihm um eine Ablösung des “Bildes” vom “Dispositiv der Sichtbarkeit” (13), um eine klare Differenzierung zwischen “Bildern” und “Gemälden”: Letztere sind materielle Objekte und “geben Bilder zu sehen” (11), [End Page 418] doch auch und gerade “Poesie” (Simons Paradigma ist die Lyrik) ist “bildlich,” ist “Rede in Bildern” (13). Wer anlässlich eines Gemäldes (auf das er womöglich zeigt) über ein “Bild” spricht (über das er sich mit einem anderen verständigen möchte), bezieht sich insofern auf eine “nichtmaterielle Entität.” Weiter konsolidiert wird das Fundament durch Ausführungen zur Vorgeschichte und Geschichte der Konzeptuali-sierungen sprachlich-poetischer Bildlichkeit. Simon diagnostiziert eine Verzögerung, mit welcher die Theorie “den Bereich nichtsichtbarer Bilder” entdeckt habe (18), und mutmaßt, gerade die “Bildaffinität des Idealismus” habe der Ausprägung einer “Philosophie des Bildes” im Wege gestanden. Diese habe sich daher anderweitig Ausdruck verschafft: in der Poetik, in der Popularphilosophie und in der Dichtung selbst (18). Dies sei vor allem an der Dichtung um 1800 mit ihrer ausgeprägten Zentrierung auf die Einbildungskraft ablesbar (19).

Tatsächlich—hier ist Simon zuzustimmen—steht “Bildlichkeit” auf der philo-sophischen Agenda lange Zeit nicht obenan. Vielleicht bahnt erst die Aufwertung des Sehprozesses als eines zugleich physischen und mentalen Vorgangs den Weg dafür, jene Entdeckung des Blicks und der Bilderzeugungsverfahren, welche in der rezen-ten Kultur- und Medienwissenschaft intensiv erörtert wurde. Die Theorie der “Imagination” und ihrer Modelle allerdings hat durchaus eine lange Geschichte, die bis in die Renaissance und noch weiter zurück reicht. Weitere “Bausteine” bilden in der Simon’schen Architektur eines poetologischen Modells von “Bildlichkeit” theoretische Ausführungen über Bild und Bildträger, Bild und Sprache sowie über rhetorische Konzepte des Bildlichen. Sie leiten über in eine “Handlungstheorie des Lyrischen” (vgl. 39), die den Diskurs über Bildlichkeit und Handlung zum Anlass einer Rekon-zeptualisierung zentraler rhetorischer Verfahrensweisen nimmt: In lexikographischer Form werden rhetorische Figuren und Tropen unter handlungstheoretischen Aspekten beschrieben. Es gelte, so die leitende Idee, Gedichte als “Handlungsskript(e) lesbar” zu machen (53).

Auf die im ersten Teil erfolgende theoretisch-grundlegende Modellierung poetischer Rede folgt ein zweiter Teil (“Lektüren”) aus einzelnen Studien zu verschiedenen Lyrikern, bei denen es sich...

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