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Reviewed by:
  • Wie die Welt lacht. Lachkulturen im Vergleich
  • Jürgen Macha
Wie die Welt lacht. Lachkulturen im Vergleich. Herausgegeben von Waltraud Wende. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2008. 349 Seiten. €49,80.

In insgesamt 19 Beiträgen, deren Entstehung sich mehrheitlich einem 2005 veranstalteten Symposium verdankt, wird versucht, dem 'Lachen' als überzeitlich-anthropologischem wie auch historisch-variablem Phänomen auf die Spur zu kommen. Um das Fazit dieser Rezension gleich vorwegzunehmen: Es ist in der Tat ein facettenreicher Sammelband entstanden, dem sich eine Menge interessanter Aspekte entnehmen lässt. Als übergeordnetes Gliederungsprinzip fungiert eine Zweiteilung nach "Lach-Kulturen" und "Lachen—medial." Diese Differenzierung ist durchaus plausibel und nachvollziehbar, in Sonderheit die Entscheidung für die zweite Abteilung hätte freilich in den Vorbemerkungen ausführlicher begründet werden können.

Die 'Lach-Kulturen' beginnen mit einem Beitrag, der Grundfragen einer Beschäftigung mit Ironie aufgreift und Bezüge u.a. zur Lebensphilosophie herstellt. In der Folge treten, wie es vom Titel her nahe liegt, nationale Ausprägungen des risus in den Blick. So fällt ein Licht auf den japanischen Umgang mit Lachen, wobei ethnologisch-entstehungsgeschichtliche Gesichtspunkte ("Herbeilachen des Glücks") ebenso zur Sprache kommen wie historisch-soziologische Spezialitäten (vgl. etwa die Bemerkungen zum Lachen der Samurai). Wie sich im höfischen Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts eine besondere geistreiche Lachkultur (mit weitreichenden Konsequenzen bis heute) herausgebildet hat, wird im dritten Aufsatz behandelt. Der "prinzipielle Unernst," durch den die englische Lebensform im Unterschied zu der des "pathetischen US-Amerikaners" charakterisiert sei, wird in den anschließenden Ausführungen zu belegen versucht. Dass andererseits die Pathos-Attitüde auch in der amerikanischen Literatur als Anlass zur Lächerlichkeit dargestellt wurde, zeigt der nächste Beitrag. Eigenartige Facetten kanadischer Lachkultur sind sodann materialreich und mit gut ausgewählten Witzbeispielen vor Augen geführt, wobei der Aspekt "Nationalidentität" als Bezugsgröße diskutiert wird.

Die Suche nach einem spezifischen Lachen der Bundesrepublik Deutschland konzentriert sich auf die Protagonisten Heinz Erhardt und Vicco von Bülow/Loriot, denen eine besondere Prägekraft zugesprochen wird. In den drei folgenden Aufsätzen werden anhand ausgewählter Schriftsteller und ihrer Werke sowohl das Verhältnis Humor—Zensur (Beispiel: Estland) als auch die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit eines Lachens angesichts der Shoah (Hilsenrath, Tabory, Gary) thematisiert. Der erste Hauptteil "Lach-Kulturen" schließt mit z. T. allgemeinen, z. T. speziell schweizerischen Impressionen zum "Fluchen," wobei dieser Gegenstand wohl eher wenig mit "Lach-Kulturen" zu tun hat.

Die Abteilung "Lachen—medial" umfasst acht Beiträge, die sich in unterschiedlicher Weise auf Aspekte einer medialen, vor allem deutschen Komikkultur beziehen. Dabei stehen Kabarett und Cartoons im Zentrum. An ausgewählten Beispielen wird [End Page 407] etwa der Wandel bundesrepublikanischer Kabarettkultur zur Comedyszene vor Augen geführt. Mit der Variante "Ethno-Comedy" wird eine besondere Spielart des transkulturellen Humors, deren Fernseherfolg in den letzten Jahren stark zugenommen hat, genauer besprochen. Das Thema "Humoristische Visualisierungen" (Cartoons) in niederländischen populärwissenschaftlichen Zeitungsartikeln lenkt zurück zur Betrachtung verschiedener nationaler Lach-Kulturen. Ihr ist auch die Analyse von "gallischem Lachen" bei Asterix und Obelix gewidmet. Prinzipielle Fragestellungen von Komik und Humor, verknüpft mit der Dimension "Werbung," kommen im anschließenden Beitrag zur Sprache. Argumentativ ähnlich wird auch im Beitrag zu 'Geschlecht' und 'Humor' verfahren, indem einer Vorstellung von Forschungsergebnissen zum Genderaspekt eine Fallstudie angeschlossen ist. Abgeschlossen wird der Sammelband mit einem Blick auf die 'komische' Verarbeitung der deutsch-deutschen Vergangenheit in den nach der Wende entstandenen Kinofilmen Sonnenallee und Good Bye Lenin.

Als Resümee lässt sich festhalten: Hier wird ein locker—unter strengen Konsistenzgesichtspunkten vielleicht zu locker—geschnürtes Bündel von Beiträgen mit unterschiedlicher Qualität präsentiert, das den Leser aufgrund seiner Reichhaltigkeit jedoch problemlos für eine gewisse Beliebigkeit zu entschädigen vermag.

Jürgen Macha
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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