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  • Text—Hypertext—Hypermedia. Ästhetische Möglichkeiten der digitalen Literatur mittels Intertextualität, Interaktivität und Intermedialität
  • Peter Krapp
Text—Hypertext—Hypermedia. Ästhetische Möglichkeiten der digitalen Literatur mittels Intertextualität, Interaktivität und Intermedialität. Von Hyun-Joo Yoo. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2007. 242 Seiten. €38,00.

Maschinelle Systeme öffnen neue Perspektiven nicht nur für die Präsentation, sondern auch für die Produktion von Sinnzusammenhängen. Akzeptiert man dies, so mag die [End Page 453] Annahme, Literatur sei die höchste Form dessen, was ein Mensch mit Sprache tun kann, ins Wanken geraten: doch einen Turing-Test für Literatur gibt es nicht. Trotz Kittlers Spott, seit der Einführung der Computer werde auch die intelligenteste Poesie zu Mythos oder Anekdote, hat Hypertext nicht nur die technische Dokumentation von Flugzeugmontage und Wartung verändert, sondern unaufhaltsam auch die Produktion und Rezeption etwa von Lyrik.

Nicht jeder Text über Hypertext ist ein Hypertext, und Text unter den Bedingungen der Maschine ist noch keine hinreichende Bestimmung von Hypertext. Was heißt also Hypertext? Hyun-Joo Yoo fasst diese Frage als Mehrdeutigkeit auf, die Textualität verkompliziert, sobald sie am Computer entsteht: es handelt sich um die Verwebung relationaler Verweise innerhalb der Textmaschine, eine auf Dauer gestellte Unentscheidbarkeit der Verknüpfung. Nelson schlug vor, Hypertext als "generalisierte Fußnote" zu begreifen, und andere wie Nielsen oder Bolz folgten diesem Vorschlag. Doch die Geschichte der Annotation bleibt bei Yoo leider ausgespart. Dem Leser (jedenfalls dem Rezensenten) fehlt auch ein Index—keine unwesentliche Frage, denn Hypertext, so mag man formulieren, radikalisiert den Index. Ein Text, der einen erschöpfenden Index hätte, wäre bereits sein eigener Index. Doch der Index ist das Ende dessen, was er indiziert; kein Index kann sich selbst erschöpfend erfassen: so sprengt der Computer die Grenzen der Buchform.

Yoo fächert die Diskussion der ästhetischen Möglichkeiten digitaler Literatur, wie im Untertitel angekündigt, mittels Intertextualität, Interaktivität und Intermedialität auf, und dieses Ausweichen einer terminologischen Entscheidung spiegelt sich in der Struktur dieses Buches wider, das Text auf Hypertext verengt und dann in Hypermedia einmünden lässt. Leider ist diese Unschärfe folgenreich, denn es wird nicht klar, wie das Spielfeld von Interaktivität von Intertextualität oder Intermedialiät abzugrenzen wäre. Es ist zwar denkbar, dass Hypermedien wenig mehr zu bieten haben als ein verbessertes Mittel zu einem alten Zweck, wie Thoreau vom Telegrafen glaubte. Eine breite Akzeptanz von Hypertext als Kulturmedium hingegen wird nur teilweise durch optimierte Konzepte erreichbar sein. Erforderlich ist vor allem präzise Lektüre, die sich auf Spezifik einlässt, ohne sich einer Logik des Unvorhersehbaren zu verschließen. Intertextualität wiederum meint, der eigentliche Gedächtnisraum sei der zwischen den Texten. Doch dies bedeutet keineswegs, dass durch Hypertext alles, was "lineare" Schriften der hermeneutischen Arbeit auflasteten, nun im Netzwerk der Referenzen explizit und co-präsent würde: das differentielle Netzwerk des Hypertextes produziert Aufschub und Nachträglichkeit, und suggeriert kaum je die Immersion in eine dauernde Gegenwart der Textbewegung. Zwar schien es nach 1989, als erfüllten hypertextuelle Strukturen die hochfliegendsten Hoffnungen der Literaten; im Gegensatz zur Schrift ist das Gedächtnis jedoch kein Datenspeicher, und kulturverändernde Faktoren liegen nicht in medialen Errungenschaften, die die Kapazität des Gedächtnisses in Frage stellen, sondern in neuen Verhältnissen, die die Funktion des Gedächtnisses in Frage stellen.

Insofern Hypertext die Deutungskonventionen von Kanon, Autor, Leser und Text befragt, sahen vor allem Literaturtheoretiker hier ein ideales Vehikel. Endlich schienen Vielstimmigkeit, Intertextualität, nomadisches Denken oder Analysen der Machtdiskurse die ihnen eigene Form gefunden zu haben. Doch die tatsächlich im Netz realisierten (und von Yoo behandelten) Hypertexte können kaum als 'Beweise' für literaturtheoretische Ansätze betrachtet werden, wenn sie von jenen bereits informiert [End Page 454] oder inspiriert waren. Man hätte sich im Eingangsteil eine sorgfältige historische und theoretische Erörterung des Textbegriffs gewünscht, wie sie beispielsweise John Mowitt (1992) als Genealogie eines undisziplinierten und antidisziplinären Diskurses vorgelegt hat, um dann genauer definiert zu sehen, was Yoo spezifisch unter Hypertext versteht. Stattdessen werden die üblichen Adressen referiert, von Barthes und Iser zu Licklider...

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