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Reviewed by:
  • Die Logik des Unbewussten in der Kunst. Subjekttheorie und Ästhetik nach Hegel und Lacan
  • Johannes Schade (bio)
Wolfram Bergande , Die Logik des Unbewussten in der Kunst. Subjekttheorie und Ästhetik nach Hegel und Lacan. Wien: Turia + Kant, 2007. 255 pages.

Folgt das, was im Kunstwerk als Sinn erscheint, einer Logik? Das ist die Leitfrage der vorliegenden Untersuchung, die Wolfgang Bergande von den Schriften Jacques Lacans, vor allem den noch weithin unveröffentlichten Seminaren der 60er und 70er Jahre ausgehend, in einem "integralen Deutungsansatz" (13) systematisch entwickelt. Schon im Aufsatz Le temps logique aus dem Jahr 1946 sei es Lacan um die Ausarbeitung einer Logik des Unbewussten gegangen, an der er bis in die letzten Jahre hinein geforscht habe. Bergande macht es sich zur Aufgabe, diese Logik dezidiert auf das Feld der Ästhetik zu übertragen und die entsprechenden Rückkopplungseffekte zu studieren.

In hochkonzentrierten Lektüren von Lacan und anderen Autoren wie Lessing, Hegel und Freud gelingt es Bergande, das Kunstwerk als eine Einheit zu fassen, die aufgrund der in ihr konstitutiven Sinnbildung qua Zeichenhaftigkeit als ein Bewußtsein zu verstehen ist, welches sich selbst reflektiert und dabei von einem Unbewußten, Nichtidentischen, heimgesucht wird. Diese Reflexion des Kunstwerks auf sich selbst gehorcht einer Logik der konstitutiven Ausnahme, die sehr genau formulierbaren Regeln entspricht. Indem er diese zu rekonstruieren versucht, kann Bergande jene in kunstkritischen Zusammenhängen nicht selten zum bloßen Gerede verkommene Einsicht über die "selbstbezüglichen Bewegung, die das Werk an sich selbst vollzieht" (15) begrifflich entwickeln und theoretisch fruchtbar machen.

Auch ein System, das sich nicht durch Sprache im engeren Sinn sondern durch visuelle Formen bestimmt, wie Malerei oder Skulptur, gehorcht einer Logik, die sich rekonstruieren lässt. Bergandes Untersuchung folgt dem "post-Saussureschen Paradigma der Sprache als dezentriertem, differenziellem System" (140) und erweitert dessen Gültigkeit auf jede Form der Darstellung. Die Signifikantenlogik des Kunstwerks—und aus diesem Grund ist Bergandes Projekt auch ein Projekt psychoanalytischer Theorie—ist strukturgleich mit jener Logik, die das Verhältnis von Bewußtsein und Unbewußtem bestimmt. Bergande möchte zeigen, "dass der dialektische Mechanismus, nach dem Sinn im Selbstbewusstsein als Sinn eines Signifikanten entsteht, auch erklären kann, wie an einer künstlerischen Form signifikanter, wenngleich nichtsprachlicher Sinn erfahrbar wird" (10). Um sowohl der Metaphorik der Freudschen Strukturinstanzen als auch dem Denken Lacans in Gebilden wie dem Möbiusband oder der Kleinschen Flasche Rechnung zu tragen, nennt Bergande das zu entwickelnde Vorgehen eine Topologik.

In einem ersten Kapitel konfrontiert Bergande zwei klassische Theorien über den "Augenblick im Kunstwerk," nämlich bei Lessing und Hegel, um die leitende Frage nach der Logik des Sinns zu umreißen. Wenn bei Lessing im Laokoon der "fruchtbare Augenblick" dadurch charakterisiert ist, dass er auf ein Davor und Danach der dargestellten Handlung verweist, wird dort eine kausal-chronologische Zeitlichkeit für den Augenblick im Kunstwerk [End Page 760] impliziert, die Bergande mit Verweis auf die strukturalistische Fundierung der Lacanschen Theorie infrage stellt. Jeder "Zug" eines Kunstwerks ist für Lacan "ein Signifikant, dessen Sinn rein differenziell bestimmt ist . . . , [der] nur dadurch einen Sinn hat, dass er sich in den räumlichen (paradigmatischen) und zeitlichen (syntagmatischen) Kontexten gegen alle übrigen Signifikanten desselben Systems abgrenzt" (19). So muß der "virtuelle" Augenblick des Kunstwerks verstanden werden als sowohl in der Zeit als auch im Raum "diskontinuierlich." Nicht als bloße Addition zum Wahrnehmungsbewusstsein, sondern als "intervenierender Augenblick, über den erst einmal nicht mehr gesagt werden kann, als dass er ortlos (atopisch) ist und in einer Art unwirklicher Zwischenzeit auftritt" (20).

Neben dieser strukturalistischen Prämisse, die ein differenzielles Verhältnis der Signifikanten im Kunstwerk und eine daraus resultierende permanente Verschiebung von Bedeutung behauptet, können wir in Bergandes Bemerkungen zum Augenblick der Kunst bei Hegel eine materialistische Prämisse ausmachen. Für Hegel ist die Skulptur das "Paradebeispiel" (20) der klassischen Kunst, weil in ihr die Verwirklichung der Idee als konkrete, gegenständliche Schöpfung idealtypisch vonstatten geht. Die klassischen Bildnisse sind für Hegel Beweise dafür, dass "Begriff und Realität übereinstimmen (können)" (20). Begriff ist für Hegel das, "was Subjektivität ausmacht" (20). Insofern also im Kunstwerk der Begriff sinnlich realisiert ist, ist in ihm Subjektivität manifestiert oder versinnlicht...

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