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  • Ludwig Tieck: Die sieben Weiber des Blaubart. Eine wahre Familiengeschichte
  • Luisa Rubini Messerli (bio)
Ludwig Tieck: Die sieben Weiber des Blaubart. Eine wahre Familiengeschichte. Mit einem Nachwort von Frank Witzel und Messerschnitten von Marco P. Schaefer. Hamburg: Textem-Verlag, 2007. 168 pp.

Der Textem-Verlag hat eine neue Reihe Gespenster-Bibliothek mit Ludwig Tiecks Die sieben Weiber des Blaubarts eröffnet. Diese romanhafte réécriture von Charles Perraults "Blaubart," die 1797 in Berlin unter pseudonymem Herausgebernamen (Gottlieb Färber) und mit kaschiertem Impressum ("Istambul, bey Heraclius Murusi, Im Jahre der Hedschrah 1212," i.e.: Berlin: C. A. Nicolai) zum ersten Mal erschienen war, wurde zu Tiecks Lebzeit nur noch einmal, im 9. Band seiner Schriften (Untertitel: Arabesken; Berlin: G. Reimer 1828), aufgelegt. Unter den modernen Ausgaben ist lediglich ein Faksimile-Reprint (Berlin/New York: De Gruyter, 1966) dieses Zweitdrucks zu verzeichnen. Daher ist die neue Buchausgabe—eine elektronische Fassung der Schriften ist im Internet aufrufbar—zu begrüßen, nicht nur, weil der Roman ein Glanzstück der deutschen Frühromantik ist, sondern weil er in der Serie der Blaubart-Bearbeitungen und- Umarbeitungen keine unwichtige Stelle einnimmt (vgl. u. a. W. Memminghaus, Suhrkamp, 1995, insb. 92-190; M. Puw Davies, Oxford University Press, 2001, 98-110; M. Szczepaniak, Böhlau, 2005; S. Scherer, de Gruyter, 2003, 272-90).

Die vorliegende Leseausgabe präsentiert sich in einer anziehenden äußerlichen Ausstattung. Für die Textedition wurde auf die Zweitauflage (1828) zurückgegriffen. Hier, in der Vorlage, erscheint die "Familiengeschichte" in 33 Kapiteln unterteilt, wobei ein Fehler dem Autor (?) unterlaufen ist: Vom dreizehnten Kapitel springt man zum fünfzehnten, das nun in der modernen Ausgabe als vierzehntes stillschweigend berichtigt wurde. Es ist anzunehmen, dass die Erstausgabe den Fehler bereits enthielt, so dass Tieck—hätte er ihn bemerkt—den Roman um ein weiteres Kapitel vermehrt hätte, um die symbolträchtige Zahl 33, die im Roman eher parodistisch verwendet wird, zu erreichen. Ein anderer Fehler ist hingegen übersehen worden (im Satz "Peter suchte . . . darzustellen" auf S. 109 sollte Bernard anstelle von Peter als Subjekt stehen). Ansonsten hätten erläuternde Nachweise der verschiedenen, im Text [End Page 153] z.T. halbversteckt zitierten, Werke zeitgenössischer Erfolgsautoren (August von Kotzebue, August H. J. la Fontaine usw.) den Leser durchaus erfreut. Das Nachwort des Schriftstellers Frank Witzel bietet keine Angaben zu Text oder Autor.

Der junge Tieck hat sich mehrmals mit dem Blaubart-Thema befasst. Vor der Romandrucklegung hatte er 1796 das Märchendrama Ritter Blaubart verfasst, das ein Jahr darauf sowohl separat als auch als erstes seiner Volksmährchen von dem fiktiven Herausgeber Peter Lebrecht aufgelegt wurde. Zwischen 1816 und 1818 beabsichtigte der Autor eine dritte Fassung zu schreiben, die aber Entwurf blieb. Welche Zwecke beabsichtigte Tieck mit dieser Prosaversion? Im letzten Kapitel rühmt der fiktive Herausgeber sich, "die etwanigen dunkeln Parthien" des Märchenstoffes, wie etwa Fragen, warum der Hauptheld einen blauen Bart trage, oder warum er die Weiber so hasse, "in ein deutliches Licht" (S. 152) gesetzt zu haben. Es sind dies alles Fragen, die im Roman eine Antwort finden, allerdings auf eine programmatisch-parodistische Art, die auf den Unsinn der Fragen bzw. auf den Deutungszwang verweist.

Das literarische Verfahren besteht zum Teil darin, dass der Plot des Märchens als bekannt vorausgesetzt wird, so dass es genügt, auf den Subtext hinzuweisen. Einige Innovationen des Romans gehen in die spätere deutsche Blaubart-Überlieferung über, u.a. die Feudalisierung des "ursprünglich" großbürgerlichen Märchenmilieus, der Perraultsche Bürger wird bei Tieck zum Ritter geschlagen oder das hier zum ersten Mal auftretende Motiv der sieben Ehefrauen.

Der Roman stellt dem blaubartschen Plot Kindheit und Jugend des Helden (Kapitel 1 bis 10) voran. Peter Berner (der Held) ist der Sohn eines Ritters, nach dessen Tod habsüchtige Verwandte sich seines Erbes bemächtigt haben. Dem kleinen Kind wird ein seltsames pädagogisches Programm aufgezwungen: Es lernt weder lesen noch schreiben, während ein Vogel ihm kunstlose bis nihilistische Lieder vorsingt. In derselben abgelegenen Burg lebt das zweite Kind, Adelheid, mit dem ihre Wärterin nur kindische Worte wechselt, während der erwähnte Vogel auch ihr die trivialsten Lieder vortrillert, was verhindert, dass sie sich zu einer...

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