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  • Der Familienkreis Friedrich Heinrich Jacobi und Helene Elisabeth von Clermont: Bildnisse und Zeitzeugnisse by Jan Wartenberg
  • Ehrhard Bahr
Jan Wartenberg, Der Familienkreis Friedrich Heinrich Jacobi und Helene Elisabeth von Clermont: Bildnisse und Zeitzeugnisse. Hrsg. vom Goethe-Museum Düsseldorf Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung mit Geleitwort von Volkmar Hansen und Einführung von Gudrun Schury. Bonn: Bernstein-Verlag, Gebr. Remmel, 2011. 299 S.

Der Verfasser ist verwandtschaftlich als Nachkomme von Friedrich Heinrich Jacobi bestens mit der Familiengeschichte vertraut und hat nach zwanzigjähriger Sammelzeit die Bilder Jacobis und seines weitläufigen familiären Umkreises kunst historisch erfasst und in dem vorliegenden Bildband zusammengestellt. Goethe war Jakobis langjähriger Freund und hat dessen Familie 1774 und 1792 im Düsseldorfer Vorort Pempelfort besucht. Die Freundschaft war voller Spannungen, besonders aufgrund des “Spinoza-Streits” von 1780. Jacobi hatte damit sowohl Lessing und Goethe als auch Mendelssohn in die Atheismus-Debatte um Spinoza verwickelt. Davor lag Goethes satirische “Kreuzerhöhung” von Jacobis Woldemar-Roman am Weimar Hof im Jahr 1777. Später erfolgte Goethes entschiedene Zurückweisung der orthodox christlichen Vorstellungen seines Freundes in dem Gedicht “Groß ist die Diana der Epheser” von 1812.

Doch in diesem Band geht es um die Erfassung und Zusammenstellung der Portraits des Hausherrn, seiner Familie und der weiteren Verwandtschaft. Die Bildnisse vermitteln einen Einblick in die Entwicklung der bürgerlichen Portraitkunst bis zu den Anfängen der Fotografie. Man wird die Familie Jacobi mit der Frankfurter Goethe-Familie vergleichen können, besonders was ihren Lebensstandard betrifft. Von Friedrich Heinrich Jacobi sind 48 Bildnisse erhalten, darunter fünf Büsten und drei Gedenkmedaillen. Von seinem Vater, Johann Conrad, gibt es nur dreizehn Bildnisse und von seiner Frau, Helene Elisabeth (Betty) Jacobi, geb. von Clermont, nur fünf. Der verhältnismäßig große Anteil von Friedrich Heinrich ist wohl auf seine Aufnahme in die Physiognomischen Fragmente von J. K. Lavater und seine spätere Stellung als Präsident der Bayrischen Akademie der Wissenschaften zurückzuführen. Lavaters Kommentar zu Jacobis Portrait war, “daß der blosse Umriß dieses Gesichtes einen feindenkenden, feinfühlenden [End Page 277] Mann von sanfter Gemüthsart, ohne gewaltige vordringende Stärke verräth. Diese Lage der Stirn zeigt theils eine lichte Einbildungskraft, theils eine leichte, jedoch nicht sehr elastische und schnelle Produktionskraft” (19). Den heutigen Leser überrascht eine bestimmte Ähnlichkeit des Jacobi-Portraits von 1781 nach einer Zeichnung von Frans Hemsterhuis mit Bildern des jungen Goethe. Bei der Anzahl der Bildnisse von Jacobis Vater ist man auf Vermutungen angewiesen, dass die Bildtradition des Adels noch nicht in vollem Umfang vom Bürgertum übernommen worden war. Bei den Bildnissen der Frauen scheinen geschlechtsspezifische Vorurteile eine Rolle zu spielen: bevorzugt werden Brautbilder oder Bilder mit Kind oder Kindern. Die Bilder werden manchmal als Geschenk geplant und sollen zum Andenken der Verstorbenen dienen. “Der Papa soll damit überrascht werden,” schreibt Betty Jacobi 1779. “Ich wollte absolute nicht . . . Aber sagten die Tanten, deine Kinder haben dich ja so lieb, wie werden sie sich noch nach deinem Tode freuen, ein dir ähnliches Bildniß zu haben” (104). Sie starb bereits 1784 im Alter von vierzig Jahren.

Einen Sonderfall stellt der sog. “Musentempel” von Johann Wilhelm Ludwig Gleim in Halberstadt dar, der sich für diese Einrichtung Bildnisse der repräsentativen Schriftsteller seiner Generation erbat, darunter natürlich Bilder von Friedrich Heinrich Jacobi und seinem Bruder Johann Georg, der auch schriftstellerisch tätig war. Lavaters Physiognomie-Projekt und Gleims Musentempel haben zweifellos eine gesteigerte Produktion von Bildnissen angeregt. Um 1850 wurden die Gemälde und Kupferstiche durch die Daguerreotypie ersetzt und ab 1865 durch die Fotografie. Von dem Urenkel Friedrich Wilhelm Ludwig Alban von Jacobi (General der Infanterie) ist eine Fotografie mit Kaiser Wilhelm II. aus dem Jahr 1895 überliefert.

Sicherlich hat die Bildtradition aus dem 18. Jahrhundert zum Bewußtsein der bürgerlichen Identität beigetragen. Das Bürgertum beanspruchte die gleichen Rechte wie der Adel auf bildliche Darstellung der Individualität. Dieser Band bietet sich zur Überprüfung dieser These an. Insgesamt 56 Mitglieder der Jacobi-Familie werden mit ihren Bildnissen erfasst. Es handelt sich dabei um fünf Generationen von 1680 bis 1919. Von den erhaltenen Ölgemälden sind rund fünf zig auf Farbtafeln wiedergegeben...

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