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FORSCHUNGSBERICHT. DAVID LEE Zur Textüberlieferung des West-östlichen Divans Mit dem erscheinen der Divan-hände der Weimarer Ausgabe im Jahre 1888 wurde klar, welcher Reichtum an Überlieferungsmaterial für das Werk vorlag: Hunderte von Blättern kamen zum Vorschein, die Notizen, Gedichtentwürfe und Reinschriften sowie eine Abschrift für den Druck enthielten; auch von den "Noten und Abhandlungen" war ein Korrekturexemplar dabei.1 Konrad Burdach besorgte den Gedichtteil, Carl Siegfried und Bernhard Seuffert die "Noten." Siegfried war "für die Mittheilungen aus den Handschriften," Seuffert "für die Behandlung der Drucke und des IL Paralipomenons" verantwortlich.2 Die Aufgabe einer Katalogisierung, Darstellung und Auswertung der Überlieferungsträger haben alle drei auf eine für die damalige Zeit befriedigende Weise gelöst und den Bedürfnissen des wissenschaftlichen Gebrauchs für mehr als 60 Jahre Genüge geleistet. Wegen des noch unübertroffenen Angebots an Texten, Varianten und Paralipomena dienen die beiden Bände uns noch heute als Grundlage. Der Großoktav-Druck der Ausgabe letzter Hand (heute als C3 bezeichnet) bildete die Textgrundlage für die Weimarer Ausgabe.3 In dem halben Jahrhundert, das danach verfloß, brachte die Forschung neue Erträge: Materialien, die bei der Zusammenstellung der Weimarer Ausgabe unbekannt waren, kamen ans Licht. Ernst Grumach, Leiter der 1949 gegründeten Akademie-Ausgabe von Goethes Werken, zeigte nicht nur, daß C3 ein philologisch schwächerer Text war als die sog. "Taschenausgabe" (C1), sondern auch, daß Goethe sich nur in geringem Maße an der Textvorbereitung für die Ausgabe letzter Hand beteiligt hat.4 Die ersten drei Bände der Akademie-Ausgabe boten die Gedichte des Divans, die "Noten und Abhandlungen" und die bis heute noch übersichtlichste Sammlung von Paralipomena zum Werk.5 Eine Darstellung der Überüeferungs- 276 GOETHE SOCIETY OF NORTH AMERICA tradition sollte die Textbände begleiten, aber die Ausgabe blieb unvollendet, die Apparatbände wurden nicht gedruckt. Eine von Hans Albert Maier vorgenommene Bearbeitung der Gedichte, die 1965 erschien, sichtete die Ergebnisse der früheren Forschung und brachte mehrere wichtige Einsichten in die Entstehung des Werkes.6 Maiers Ausgabe umfaßt nur die zu Goethes Lebzeiten veröffentlichten .Di'wiw-Gedichte, und dementsprechend bleiben alle Textträger weg, die nur zu den "Noten" oder zu Gedichten aus dem Nachlaß gehören. In dem Buch Interpretation als Textkritik: Zur Edition des West-oestlichen Divans stellt Wilhelm Solms Maiers editorische Praxis zur Diskussion.7 Im Rahmen seiner Ausführung skizziert er die Überlieferungstradition und berichtigt einiges an Maiers Darstellung. Anders als Maier nimmt er Rücksicht auf die Arbeiten von Waltraud Hagen und anderen, die sich um eine Vereinheitlichung der wissenschaftlichen Terminologie bemühten.8 Da Solms sich in diesem Buch speziell für die Gruppe von sieben Marianne von Willemer zugeschriebenen Gedichten aus dem "Buch Suleika" interessiert, ist seine Auswahl der Zeugen ebenso wie die Maiers durch einen begrenzten Zweck bestimmt, und verschiedene Textträger bleiben auch bei ihm unvermerkt oder ohne Sigle. In seinem späteren Werk Goethes Vorarbeiten zum Divan geht Solms näher auf Probleme in der Definition der Handschriftensiglen ein, er verzichtet aber auf eine nochmalige Übersicht über alle Drucke und Handschriftengruppen.9 Die vorliegende Untersuchung ging aus einer Beschäftigung mit dem "Deutschen Divan" von 1814 hervor und aus den Schwierigkeiten, die ich hatte, die bisherigen Darstellungen zur Textentwicklung miteinander zu vereinbaren und die Textzeugen, die ohne Sigle geblieben waren, zu bewerten und in die Reihe der Handschriften und Drucke einzuordnen. Da eine detaillierte Übersicht über die ganze Überlieferung des Divans für meine Bearbeitung des "Deutschen Divans" von 1814 ohne Belang war, erschien es als sinnvoll, den Gesamtüberblick über die Überlieferungsgeschichte auszusondern und in der Form eines kommentierten Verzeichnisses getrennt darzubieten. Besonders wünschenswert bei einer Darstellung der Textentwicklung ist, daß alle Textzeugen eine Sigle bekommen, denn die Sigle liefert nicht nur eine eindeutige Bezeichnung für den Zeugen, sondern sie verdeutlicht auch das Verhältnis des einen Zeugen zum anderen und erinnert ständig an die Stellung des jeweiligen Textes in dem Entstehungsprozeß. Mit einer Gesamtübersicht ist auch generell das Problem einer Anpassung der Siglen an vorherrschende wissenschaftliche Normen gegeben. Burdachs Nomenklatur aus der Weimarer Ausgabe hat sich in der Forschung fest etabliert, und...

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