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  • Eduard Berend und Heinrich Meyer. Briefwechsel 1938–1972 ed. by Meike G. Werner
  • Hinrich C. Seeba
Eduard Berend und Heinrich Meyer. Briefwechsel 1938–1972. Edited by Meike G. Werner. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013. Pp. 272. Paper €19.90. ISBN 978-3835312227.

Die Geschichte der amerikanischen Germanistik ist auch die Geschichte ihrer Einwanderer, der freiwilligen (Julius Goebel 1882, Wilhelm Kurrelmeyer 1882, Kuno Francke 1884, Alexander Hohlfeld 1889, Ernst Feise 1908, Henry W. Nordmeyer 1913, Heinrich Henel 1931, Helmut Rehder 1931, Viktor Lange 1932 u.a.) wie, vor allem, der unfreiwilligen (Karl Vietor, Melitta Gerhard, Bernhard Blume, Erich Heller, Oskar Seidlin, Franz H. Mauthner, Heinz Politzer, Egon Schwarz, Guy Stern u.a.). In einigen Fällen blieben erstere ihrem verlassenen Vaterland, selbst während der Nazi-Herrschaft, so sehr verbunden, dass sie, unzufrieden mit dem bisweilen für kulturlos erklärten Amerika, eine baldige Rückkehr in die Heimat ersehnten, während letztere, meistens ins Exil vertriebene Juden, sich nichts sehnlicher als die rettende Flucht nach Amerika wünschten und dafür angesichts des antisemitischen Terrors ihr Heimweh unterdrücken mussten. Wo sich beide Wege kreuzen, gewinnt das implizite Zeitporträt eine eigentümliche Dynamik, die über die wissenschaftsgeschichtliche Marginalie hinausweist auf moralische Verwerfungen, die sich erst den Nachgeborenen erschließen.

Eine solche über 30 Jahre währende Begegnung marginalisierter Gelehrtenexistenzen bietet die Korrespondenz zwischen dem—mit seiner monumentalen Ausgabe legendär gewordenen—jüdischen Jean Paul-Herausgeber Eduard Berend (1883–1973), der es nie zu der ersehnten Professur in Amerika gebracht und sein Genfer Exil erst als 73-Jähriger mit einem Arbeitsplatz in Marbach getauscht hat, und dem zu lange deutsch-national gesinnten Goethe-Forscher Heinrich Meyer (1904–1977), der, nachdem ihm 1943 unter dem Vorwand der Illoyalität die Rice Professur entzogen worden war, nach jahrelangem Farmleben erst 1963 an der Vanderbilt University wieder institutionell Fuß fassen konnte. Wohl beide waren, wie der Auswanderer dem künftigen Emigranten schrieb, „zerrissen zwischen Heimat und Wahlheimat, zerrissen zwischen Loyalitäten“ (16). [End Page 460]

Der Briefwechsel zwischen den beiden ungleichen, aber ähnlich gebildeten und sich ihrer Bildung in ungebildeter Zeit durchaus bewussten Germanisten beginnt 1938 mit einem postwendend beantworteten Hilferuf, als der in Hannover geborene Eduard Berend für einige Wochen ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt und nur unter der Bedingung freigelassen wurde, dass er Deutschland verlassen würde, und endet 1972, kurz vor seinem Tod mit offenbar unbeantwortet gebliebenen Briefen Meyers. Der in Nürnberg geborene und schon 1930 nach Amerika ausgewanderte Heinrich Meyer, der 1938 erklärt hatte, die Ausschließung der Juden von öffentlichen Ämtern in Nazi-Deutschland sei „intended for the good of the majority“ (238), der 1939 mit naiver Genugtuung feststellte, dass „das Gesamtproblem der jüdischen Umsiedlung ernstlicher unterwegs ist“ (45), der noch 1940 in Hitler „eine im Dienst der Weltvernunft wirkende reinigende Kraft“ (84) sah und entsprechend gegen Antisemitismen nicht gefeit war, hat gleichwohl dem Juden Berend 1939 das Affidavit verschafft und ihm damit, nach Aussage des Betroffenen, „das Leben gerettet“ (98); er hat ihm auch weiterhin (vergeblich) den Weg nach Amerika zu ebnen und ihm auch sonst immer wieder, auch finanziell, großzügig und rückhaltlos zu helfen versucht.

Mag die Insistenz der beiden Gelehrten auf „absolut objektiv“ (47) durchgezogene Quellenforschung auch als Bollwerk gegen die grassierende Ideologisierung von Interpretation verstanden werden, so fehlt ihrer Wirklichkeitswahrnehmung, dem antiamerikanischen Wahlamerikaner mehr noch als dem vornehmer zurückhaltenden Zwangsschweizer, manchmal doch das rechte Augenmaß. So empört sich Meyer einerseits, in eigener Sache, über das Versagen der Humanität, als ihn ein sehr humanistisch auftretender deutscher Kollege, den er wegen „des gewissen Schönheitsgeschwafels und Pseudokünstlertums der gewählten Worte“ (S. 130) negativ rezensiert hatte, dafür mit Gift und Galle überschüttete. Und andererseits sieht er, in anderer Sache, durchaus kein Versagen seiner eigenen—im Einzelfall Berend überzeugend bewiesenen—Humanität, wenn er sogar gegenüber dem geretteten Opfer „die Juden“ für ihr eigenes Schicksal verantwortlich macht und sich vor der Rache der amerikanischen „Judenschaft“ (56) fürchtet, falls der Weltkrieg nicht mit dem insgeheim erhofften Sieg der Deutschen enden sollte.

Die lebensgeschichtlich so unterschiedlichen Briefpartner sind Verbündete in der Verachtung geistesgeschichtlicher Sinnhuberei. Seitdem Meyer 1927 bei dem...

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