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  • Figurationen der Liebe in Geschichte und Gegenwart, Kultur und Gesellschaft ed. by Stefan Neuhaus
  • Frederick A. Lubich
Figurationen der Liebe in Geschichte und Gegenwart, Kultur und Gesellschaft. Edited by Stefan Neuhaus. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2012. Pp. 326. Paper €48.00. ISBN 978-3826050299.

Vorliegender Band versammelt eine Reihe von Aufsätzen, die aus einer Ringvorlesung hervorgegangen sind. Mehreren Beiträgen liegt Niklas Luhmanns Studie Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität (1994) als theoretisches Reflektionsmedium zu Grunde. Im Folgenden sollen die einzelnen Beiträge in ihren wesentlichen Aspekten vorgestellt werden.

Aufbauend auf der These, dass Luhmann „eine der avanciertesten Liebeskonzeptionen der letzten Jahrzehnte“ (26) vorgelegt hat, illustriert Oliver Jahraus in seinem Beitrag ‚Liebe als Medienrealität’ im Licht von Luhmanns Modell diverse Aspekte erotischer Dreiecksverhältnisse. Er schlägt den Bogen von Choderlos de Laclos’ Les liaisons dangereuses über Goethes Wahlverwandtschaften zu Lady Dianas gelebter und medial vielfach ausgeschlachteter ménage à trois, von der sie in einem BBC-Interview einmal gesagt hatte: „Well, there were three of us in this marriage, so it was a bit crowded“ (22).

Timo Heimerdingers Beitrag „Wie alles begann. Ethnografisch-narrative Erkundungen des Anfangs“ basiert seine Betrachtungen auf einer Reihe von Interviews von Liebespaaren und kommt zu dem Schluss, dass der „romantische Liebescode“ weiterhin „ein kultureller Fixstern und … dominantes Orientierungsmuster“ (41) ist. Elisabeth Beck-Gernsheim skizziert in ihrem Beitrag „Zwei Nationen, ein Paar. Geschichten vom interkulturellen Verstehen und Missverstehen“ diverse Aspekte und Probleme der Paarbildung von Partnern aus verschiedenen Kulturkreisen, kommt jedoch trotz zahlreicher aufschlussreicher Betrachtungen den Gegebenheiten entsprechend letztendlich nicht über die Erkenntnis hinaus, dass es „ebensowenig das binationale Paar wie den Ausländer oder die Ausländerin“ gibt (54).

Heike Ortners Essay „Liebe multimodal. Alltagspsychologische Konzeptualisierungen von Liebe in YouTube-Videos“ versucht an Hand von über einem Dutzend thematischer Listen und konzeptueller Tabellen ihr Forschungsfeld in seinen wesentlichen Landmarken zu kartografieren, droht jedoch dabei in einer Vielzahl von Begriffen und Bedeutungsebenen den Überblick zu verlieren. Paola-Ludovika Coriandos Essay „Die Phänomenologie und die Liebe“ schlägt den hermeneutischen Bogen von Platons Symposion bis zu Heideggers Sein und Zeit, um ein philosophiegeschichtlich fundiertes Verständnis für die mannigfaltigen Erscheinungsformen [End Page 424] der menschlichen Liebe zu finden. Platons „Wesensschau des ‚Schönen an sich‘“ (90) gewinnt dabei leitmotivische Bedeutung, sodass die Autorin schließlich zu dem Schluss gelangt: „Wesentlich—wesentlicher noch als das Glück—ist der ‚verliebte‘ Blick auf die Welt: der enthusiastische Blick, der in der Welt den Sinn sehen kann“ (95). So altehrwürdig dieser Platonismus sein mag, so uralt ist auch sein Gegenargument, dass solch eine idealistische Ausschau wirklich Vereinsamten und unglücklich Verliebten wohl kaum wesentlich weiterhelfen wird.

Möglicherweise noch weniger Trost bietet Julia Pragers Essay „Wie wir lieben können. Zum Verhältnis von (literatur)wissenschaftlicher Kritik und Affekt,“ der unter anderem auch einschlägige Experten wie Richard Rorty und Judith Butler zu Rate zieht, um schließlich zu der Erkenntnis zu kommen: „Wenn es uns also gelingt, das Fiktive sowie das Gefühl in den auf Rationalität basierenden Wissensdiskurs einzubringen, um uns in gewisser Weise dem Wissen zu entziehen, dann besteht die Möglichkeit, dass sich das Unmögliche ereignet—und vielleicht auch so etwas wie Liebe“ (113). (Während sich liebestheoretische Akademiker an dieser Dialektik noch ausführlich abarbeiten mögen, hat sich Lieschen Müller bestimmt schon längst in ihren Hans verliebt—und umgekehrt!)

Erfrischend klar und umfassend aufschlussreich ist Veronikas Schuchters Beitrag „Out of the closet: Homosexualität zwischen Mainstream und Subkultur,“ der die letzten hundert Jahre der deutschen und amerikanischen Film-und Fernsehgeschichte auf ihre sukzessive Emanzipation homosexueller Figuren und Figurationen durchleuchtet. In Anbetracht der umfassenden Darstellung dieser Entwicklungsgeschichte erstaunt es allerdings, dass Sönke Wortmanns Film Der bewegte Mann (1994) in diesem Zusammenhang keine Erwähnung findet. Er figuriert in der deutsche Filmgeschichte nicht nur als ein Meilenstein in der Darstellung des „Coming Out,“ er wurde seinerzeit auch von der amerikanischen Presse wie etwa der New York Times gefeiert und zudem Hollywood als Modell für die korrekte Inszenierung homoerotischer Komödien anempfohlen.

Während in den bisherigen Beiträgen vor allem zeitgenössische Aspekte der Liebesthematik im Mittelpunkt der Betrachtung standen...

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