In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Reviewed by:
  • Small Town & Village in Bavaria: The Passing of a Way of Life by Peter H. Merkl
  • Werner K. Blessing
Small Town & Village in Bavaria: The Passing of a Way of Life. By Peter H. Merkl. New York: Berghahn, 2012. Pp. 263. Cloth $90.00. ISBN 978-0857453471.

Amerikanische Historiker haben zur Geschichte Bayerns immer wieder Bemerkenswertes geschrieben. Nun untersucht Peter H. Merkl, in Bayern geboren, Professor Emeritus of Political Sciences an der University of California in Santa Barbara und Autor von Studien und Quelleneditionen zur Politik der Bundesrepublik Deutschland, den gesellschaftlichen Wandel in der bayerischen Provinz seit den 1960er Jahren und die Rolle politischer Raumplanung in ihm. Wie hat sich die Lebenswelt verändert, was hat der Modernisierungsdruck einer staatlichen Gebietsreform dabei bewirkt, wie gehen die Menschen damit um?

Als Beispiel dient eine von dieser Reform besonders betroffene Region, das westliche Mittelfranken mit dem Zentrum Ansbach: vorwiegend agrarisch-kleingewerblich, abseits der Ballungsräume und großer Verkehrsachsen, mit einer Reihe kleiner Städte mit augenfällig reicher Geschichte, doch von der Industrialisierung kaum berührt und deshalb seit dem 19. Jahrhundert zur stagnierenden Peripherie geworden: wirtschaftlich, sozial und kulturell. Um sowohl die Gebietsreform als auch die Erfahrung der Menschen mit ihr, die objektive wie die subjektive Seite zu fassen, hat Merkl nicht nur amtliche Dokumente, Broschüren, Statistiken und dergleichen [End Page 238] ausgewertet, sondern auch Interviews geführt, vor allem mit Bürgermeistern. Zudem konnte er auf drei Reisen jeweils im Abstand von etwa zehn Jahren an der äußeren Erscheinung der Orte deren Entwicklung ablesen.

Fünfzehn mit der Landwirtschaft traditionell verbundene Kleinstädte—früher durchweg Ackerbürgerstädte—und zahlreiche Dörfer stehen exemplarisch für ein Bild des ländlichen Deutschland im 20. Jahrhundert. Seit dem 19. Jahrhundert sah der romantische Blick in ihm einen Mikrokosmos authentischen Lebens von zeitlosem “Eigen-Sinn.” Vor allem die kleinen Städte mit ihren Türmen, Toren und Giebeln suggerierten noch immer mittelalterlichen Bürgerstolz. Doch seit den 1960er Jahren, als der Sog der Großstädte wieder zunahm, eine breite Motorisierung immer mehr Menschen mobil machte und das Fernsehen die Welt ins Heim brachte, wurden diese Orte mehr denn je als eng, ja bedrückend empfunden. Auch real nahm die Kommunität der kleinen Städte durch den Verlust von Behörden und Geschäften, Märkten und Festen ab, und die gesellschaftliche Bedeutung der Dörfer sank, weil die Landwirtschaft mit ihrer steigenden Produktivität stark schrumpfte.

Ähnlich wie in den USA verlor die ländliche Welt nicht nur faktisch Gewicht. Sie büßte auch im Bewusstsein vieler Menschen so an Lebensqualität ein, dass sie zum politischen Problem wurde. Mehr als jenseits des Atlantiks wollte allerdings in Deutschland der Staat, ein seit zweihundert Jahren “starker Staat,” das Land selbst aufwerten—mit einer Planungseuphorie, die seit den 1960er Jahren in die Amtsstuben drang und Landesplanung zu einem politischen Leitprinzip machte. Ein wichtiges Mittel schien, da technische und ökonomische Vernetzungen allenthalben gesellschaftliche Handlungsfelder erweiterten, ein größerer Zuschnitt der Verwaltungsräume. Daher haben in den 1970ern die westdeutschen Länder auf der unteren Staatsebene die Zahl ihrer Landkreise wesentlich reduziert sowie kleinere Gemeinden durchweg miteinander verbunden. Auch außerhalb der Ballungsräume sollten Kreise und Kommunen administrativ effizienter, wirtschaftlich leistungsfähiger und sozial wie kulturell chancenreicher, also zukunftsfähig werden.

Bayern hat von 1972 bis 1978, erstmals nach über hundert Jahren, eine Gebietsreform durchgeführt, die die Zahl der Kreise wie die der Kommunen mehr als halbierte. Von der Regierung nach Nutzen und rationaler Ordnung geplant, so vom Landtag beschlossen und von der Verwaltung energisch exekutiert, weckte sie Widerstand. Denn zahlreiche Gemeinden verwanden den Verlust ihrer Selbstständigkeit nicht oder sahen sich in den neu eingeführten Verwaltungsgemeinschaften aus gewohnten Beziehungen zu Nachbarorten gerissen. Das untergrub lokale Identität und Orientierung. Da die Gerichte solche Proteste meist abwiesen—in den USA urteilen sie bei vergleichbaren Fällen weit häufiger zugunsten der Bürger—, wurde es ein rigider Modernisierungskurs; Merkl vergleicht ihn sogar mit dem Staatsabsolutismus von Maximilian von Montgelas am Anfang des 19. Jahrhunderts. Doch nachdem der geschichtsbewusste Franz Josef Strauß, der 1979 Ministerpräsident geworden war, [End Page 239] manches abgemildert hatte, vor allem...

pdf

Share