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Reviewed by:
  • Protestants in Communist East Germany: In the Storm of the World
  • Hedwig Richter
Protestants in Communist East Germany: In the Storm of the World. By Wendy Tyndale. Farnham, Surrey, England; Burlington, VT: Ashgate, 2010. Pp. xxvi + 189. Cloth $89.95. ISBN 978-1409406105.

Wenige Felder der deutschen Geschichte sind von der Historiographie so gründlich beackert worden wie die DDR. Und die DDR-Forschung hat sich neben dem Thema der Staatssicherheit und der Opposition kaum einer Materie so intensiv gewidmet wie der Rolle der evangelischen Kirchen in Ostdeutschland. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dieses Thema sei „überforscht“; das Wesentlich dazu wurde wie so oft in der DDR-Forschung bereits in den 1990er Jahren geschrieben. Wendy R. Tyndale geht daher von einer falschen Prämisse aus, wenn sie die Geschichte des ostdeutschen Protestantismus als „little-known story“ bezeichnet, die es aus dem Schatten der Geschichtsschreibung zu reißen gelte (xxii). Die geradezu überbordende Forschung hat Tyndales zentrale Fragestellung nach der Bedeutung der protestantischen Kirche in der Friedlichen Revolution breit und intensiv diskutiert, und es gibt darauf längst differenzierte Antworten. Doch statt Thesen und Analysen zu diskutieren, reiht die Autorin in chronologischer Abfolge die bekannten, oft beschriebenen Fakten der Geschichte nicht nur der Kirchen, sondern der gesamten DDR in komprimierter Form aneinander: von den SBZ-Zeiten über den Stalinismus, den Aufstand von 1953, die Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz 1976 bis hin zur Friedlichen Revolution.

Auch die Tatsache, dass Wendy R. Tyndale sich zu einem Großteil auf die 21 Zeitzeugeninterviews stützt, verschafft dem Buch wenig Originalität. Denn gerade in der DDR-Forschung und auch hier wieder im Besonderen in der Forschung zum kirchlichen Leben, gibt es eine Fülle an Zeitzeugenberichten, publizierten Interviews, ganz zu schweigen von den unzähligen Autobiographien von Ex-Bischöfen, Ex-Superintendenten und kirchlich Oppositionellen, von denen auch viele in Tyndales Literaturverzeichnis aufgeführt sind. Da jedoch die Problematik der Erinnerungen als Quelle wenig reflektiert wird, übernimmt Tyndale etliche Erzählungen der Zeitzeugen ganz unhinterfragt.

So wäre es zumindest überdenkenswert, warum die DDR-Kirchenleute so demonstrativ stolz darauf waren, im Staatssozialismus anders als etwa die Christen in der Tschechoslowakei oder in Rumänien keine „Märtyrer“ zu sein, sondern sich als „Kirche im Sozialismus“ eingerichtet zu haben; oder, wie es Paul Oestreicher, der bekannte Ökumeniker und anglikanischer Geistliche, in seinem Vorwort zu Tyndales Buch ausdrückt: Es sei in der DDR nicht um „creating martyrs“ gegangen. Die Christinnen und Christen „neither were heroic nor traitors to their faith“ und hätten einen „creative middle path“ beschritten (xviii). Diese Zufriedenheit mit der Tatsache, keine entschiedenen Gegner einer antichristlichen Diktatur geworden zu sein, mutet merkwürdig an, da das zeitweise relativ entspannte Verhältnis des Regimes gegenüber den Kirchen der sozialistischen Obrigkeit und keineswegs den [End Page 447] Christen selbst zu verdanken war. Das SED-Regime aber war aufgrund der deutsch-deutschen Situation und der Angst vor einem erneuten Kirchenkampf wie in der NS-Zeit domestiziert; seine relative Toleranz hatte wenig mit einem „respect“ der Kommunisten zu tun, der aus der gemeinsamen NS-Gegnerschaft erwachsen gewesen sei; auch dies einer der übernommen Zeitzeugenmythen (13).

Noch bedenkenswerter ist die intensive Zuneigung, die die kleine ostdeutsche Christenschar oder vielmehr deren Kirchenfunktionäre für ihren „kreativen Mittelweg“ in der internationalen Ökumene erhalten hatten. Diese Vorliebe aus dem Ausland lässt sich wohl damit erklären, dass es die DDR-Kirchen waren, die den in den 1970er und 1980er Jahren faszinierend sozialismusaffinen Ökumenikerinnen und Ökumenikern ermöglichten, ihren Glauben an den Sozialismus und dessen Kompatibilität mit dem Christentum nicht aufgeben zu müssen. Und ein weiteres durch keine ernsthafte Forschung gestütztes Klischee wird in diesem Buch fromm wieder gegeben: die Haltung der deutschen Kirche zur Obrigkeit ließe sich durch Luthertum versus Calvinismus erklären, wobei die Lutheraner aufgrund der Zwei-Reichen-Lehre besonders staatstragend und diktaturkonform gewesen seien (21). Schließlich sitzt die Autorin dem insbesondere in kirchlichen Kreisen weit verbreiteten Fehler auf, die Rolle des Protestantismus in der Zeit der Friedlichen Revolution überzubetonen. Es kommen noch kleinere Merkwürdigkeiten und Fehler hinzu. Wie etwa kann Tyndale die Behauptung stützen, die SED sei „widely supported for most of...

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