In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:

Reviewed by:
  • The Masculine Woman in Weimar Germany
  • Anne Fleig
The Masculine Woman in Weimar Germany. By Katie Sutton. New York and Oxford: Berghahn Books, 2011. Pp. 204. $70.00. ISBN 978-0857451200.

Zum Symbol gesellschaftlichen Wandels avancierten in den zwanziger Jahren verschiedene Entwürfe der „Neuen Frau“. In ihnen spiegelten sich die Rationalisierung sämtlicher Lebensbereiche, die Herausbildung der Angestellten- und Konsumkultur, sexuelle Freizügigkeit und nicht zuletzt die Destabilisierung von Männlichkeiten nach dem Ersten Weltkrieg. Bereits Mitte der zwanziger Jahre galt die „Vermännlichung der Frau“ als Klischee. Dahinter verbarg sich eine Vielfalt von Erscheinungsweisen weiblicher Männlichkeit, die vom modischen „Bubikopf“ bis zum lesbischen „Gigolo“ reichte und im Mittelpunkt der zeitgenössischen Populär- und Massenkultur stand.

Diese verschiedenen Formen der Maskulinisierung von Frauen und ihre mediale Darstellung bilden das Zentrum der Studie von Katie Sutton: Mit einem Schwerpunkt auf dem breiten Zeitschriftenspektrum der zwanziger Jahre untersucht sie [End Page 186] die Mischung von Bedrohung und Faszination, die von der Maskulinisierung der Frauen ausging. Diese „neuen“ Frauen symbolisierten die urbane, arbeits- und konsumorientierte Modernisierung. Darüber hinaus fragt Sutton danach, warum sich diese immer kontrovers diskutierte Erscheinung gegen Ende der Weimarer Republik zunehmend mit negativen Konnotationen wie Perversität oder Degeneration verband. Wenig überraschend lautet ihre zentrale These, dass die maskuline Frau die Krise der Moderne in Deutschland verkörperte, die mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg korrespondierte.

Um der Vielfalt der weiblichen Männlichkeiten Rechnung zu tragen, gliedert sich die Studie in fünf thematische Kapitel: Das erste Kapitel behandelt Mode und Frisuren, deren Maskulinisierung in sich widersprüchlich verlief. Denn während am Ende der Weimarer Republik traditionelle Weiblichkeitsideale wieder an Bedeutung gewannen, setzte sich gleichzeitig das Experimentieren mit männlicher Mode auch im Nationalsozialismus fort. Im zweiten Kapitel geht es um den Sportdiskurs, die Teilhabe von Frauen an sportlicher Praxis und die Figur der Athletin, deren Körperlichkeit die vermeintlich naturgegebene körperliche Überlegenheit der Männer in Frage stellte. Auch hier zeigte sich die Tendenz zu einer konservativeren Codierung des weiblichen Sportkörpers gegen Ende der Weimarer Jahre, die auch mit einer unterschwelligen Furcht vor weiblicher Homosexualität zusammenhängen durfte. Gleichzeitig wird deutlich, dass sich eine Norm der Athletin herausgebildet hatte, die auch die Performativität von Geschlecht im Nationalsozialismus bestimmen sollte. Die Darstellung „queer“-weiblicher Männlichkeiten in verschiedenen Zeitschriften bildet das Thema des dritten Kapitels, das gleichzeitig nach Unterscheidungen weiblicher Männlichkeiten innerhalb der lesbischen Subkultur fragt. Mit dem gender-crossing der traditionellen „Hosenrolle“ wendet sich das vierte Kapitel erprobten Strategien zur Verarbeitung gesellschaftlicher Veränderungen zu. Doch eröffnete das neue Medium des Kinos zugleich einen Raum machtvoller und ungekannter Identifikationsangebote bis hin zur Darstellung lesbischen Begehrens. Das fünfte Kapitel setzt sich schließlich mit literarischen Repräsentationen der maskulinen Frau auseinander, die im Verhältnis zu den zeitgenössischen Printmedien differenzierter erscheinen. In diesem Zusammenhang kommt der Frage des Raumes besondere Bedeutung zu, da die untersuchten Romane anders als die Zeitschriften immer auch auf die Spannung zwischen der Metropole Berlin und der Provinz reflektierten. Dabei zeigt sich nicht nur, dass die Sichtbarkeit weiblicher Männlichkeit weibliche Homosexualität signalisierte, sondern auch, dass die lesbische Subkultur Berlins Teil des Weimarer Imaginären war.

Obwohl die Forschung zur „Neuen Frau“ beständig wächst, stellt die Analyse weiblicher Männlichkeiten bisher ein Desiderat dar. Im Anschluss an die Theoretikerin Judith Halberstam (Female Masculinity [Durham, N.C., 1998]) wird hier die Untersuchung von Männlichkeit produktiv vom naturalisierten „männlichen“ [End Page 187] Körper abgelöst. Durch diese Vorgabe gelingt es Sutton auf überzeugende Weise, die auf der Norm der Zweigeschlechtlichkeit beruhende Unterscheidung zwischen hetero- und homosexuellen Frauen bzw. „queerer“ Identitäten zu unterlaufen und die Marginalisierung der lesbischen Subkultur aufzuheben. Sichtbar wird dadurch das breite Spektrum und die Komplexität „männlicher“ Erscheinungsweisen, die vom gesellschaftlichen Mainstream bis zu radikalen Infragestellungen der zweigeschlechtlichen Norm reichten.

Suttons Ansatz, die „Neue Frau“ unter dem Gesichtspunkt Männlichkeit zu untersuchen, schlägt sich auch in der Auswahl der Quellen nieder. Dabei macht die Verbindung von bekannten Zeitschriften wie der Berliner Illustrierten oder Modezeitschriften wie Die Dame mit Zeitschriften aus dem subkulturellen Kontext weiblicher Homosexualität wie Die Freundin den besonderen...

pdf

Share