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Reviewed by:
  • Masse, Macht und Medium. Elias Canetti gelesen mit Marshall McLuhan by Shinichi Furuya
  • Martin A. Hainz
Shinichi Furuya, Masse, Macht und Medium. Elias Canetti gelesen mit Marshall McLuhan. Bielefeld: Transcript Verlag, 2017. 236 S.

Wie wirkt eine Masse, wodurch, was macht die Masse zu ihr: zur Masse? So akkurat Elias Canetti sie beschreibt, und auch unter diesem Aspekt, der einer der Medialität ist, etwa, wo er als konstitutiv den Rhythmus der Füße beschreibt, der diese rhythmische oder zuckende Masse konstituiert, die sich in der Medialität—durch die Intensität des Stampfens—über ihre Größe betrügen kann, wie es in Masse und Macht heißt, eine eigene Medientheorie ist darin nicht entfaltet. Diese Lücke schließt rekonstruktiv wie produktiv Shinichi Furuya mit Masse, Macht und Medium, einem Buch, das Canetti mit Marshall McLuhan lesend Germanistik und Soziologie zugleich ist, wenn man so will.

Die Bochumer Dissertation liest Canetti mit McLuhan. Also dort, wo dessen Masse nicht mehr dies ist, sondern durch sich anderes—oder doch Masse, aber nicht durch sich, sondern eben durch die Medien, worin “die Masse [ . . . ] körperlos, verstreut und unsichtbar” (7) sei. Dabei beginnt Furuya mit den Realien. Wiewohl sich “Canetti fast gewohnheitsmäßig von den zeitgenössischen Denkern distanzierte” (9), muss er McLuhan zur Kenntnis genommen haben—immerhin lässt sich am Nachlass nachweisen, dass er fünf Bücher des Medientheoretikers besaß. (9) Kennengelernt könnte Canetti ihn über George Steiner haben, wiewohl er, und das ist auch zu betonen, diesen in seinen (veröffentlichten) Schriften “gar nicht erwähnt”. (9) Es sind also eher Parallelen und Plausibilitäten, worin sich dies erschöpft.

Im Forschungsüberblick geht hernach der Verfasser der Frage nach, inwiefern Medialität nicht nur bei Canetti, sondern auch in der Sekundärliteratur zu ihm ein Thema ist. Dass dabei Eric McLuhan—Marshall McLuhans [End Page 129] Sohn—aufscheint (11), ist ein nicht uninteressantes Detail. Auch zitiert wird hier Menasses Text Masse, Medium und Macht (11), ein ganz anderer Titel als der des Buches, Masse, Macht und Medium. Vielleicht wäre es eleganter gewesen, das Buch gleich mit dem Zitat zu betiteln, stattes umzuschachteln. Dazu gibt es name-dropping (15). Zum Problem kommt der Verfasser dann auf dem Umweg über andere Texte Canettis, die zum Thema ergiebiger seien, wie Die Blendung (17). Dabei ist das Buch prothetisch (44), aber auch der Übergang hiervon—von “Büchermasse” in “die Gutenberg-Galaxis” (63), wovon dann doch zum “Hörwerk” (70) weitergegangen wird, und zwar etwas unvermittelt, sozusagen: immedial. Und dieses unvermittelte Anhäufen von Beobachtungen, Belegen oder auch Nicht-Belegtem wie dem Simmel-Zitat vom Ohr (“ein etwas passives Anhängsel”, [89]) und Materialien ist nicht erst da ein wenig das Problem der Darstellung.

Auch ein Problem: Dass auch eher undifferenzierte oder provokante Positionen wie Sloterdijks Lob für Canetti—das “härteste [ . . . ] gesellschafts- und menschenkundliche Buch in diesem Jahrhundert” (104)—wie seriöse Befunde genommen werden. Was aber sagte Härte da überhaupt aus? Und: Vieles ist dann eben doch schon gesagt, vielleicht nicht mit Nennung Canettis, doch wenn Benjamin zur “Physiognomie” (110) dessen, was im Film Masse sei, zitiert wird, dann wäre diese Verbindung erstens zu konkretisieren, jedenfalls, wenn man dieses Buch schriebe, und zweitens fruchtbar zu machen. Er wird aber wesentlich referiert (110). Ähnlich wird der Umschlag von Menschenmasse zu Massenmensch mit Ortega (115) und Anders (116) sowie die Simultaneität Vereinzelter bei Flusser (117) bloß nacherzählt, nicht falsch, aber doch auch weder originell noch kritisch, alles passt irgendwie zusammen, fertig.

Interessanter sind die Randbemerkungen, etwa zu der Medialität von Ämtern, wenn der König zwei Körper habe, deren immaterieller, so Kantorowicz in The King’s Two Bodies, “kontinuierlich weiterleben” (166) könne: als des Königs politischer Körper. Das griff Agamben in Homo Sacer bekanntlich auf, um u.a. Hitler zu verstehen (169). Allerdings passt es nur bedingt zu Canetti, wo der Befehl von außen kommt, imaginär oder real, also genau dieses Moment der Expansion schon auch dekonstruiert wird, was Furuya aber wieder nicht beachtet, womit die Randbemerkung dies bleibt.

Dann ist man, das name-dropping wurde ja schon erwähnt, bei Foucaults Bio-Politik...

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