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Reviewed by:
  • Formen des Kunstreligiösen. Peter Handke—Christoph Schlingensief by Lore Knapp
  • Teresa Kovacs
Lore Knapp, Formen des Kunstreligiösen. Peter Handke—Christoph Schlingensief. Paderborn: Wilhelm Fink, 2015. 379S.

Die Literaturwissenschaftlerin Lore Knapp widmet sich in ihrer Monographie Formen des Kunstreligiösen und fokussiert dabei die Arbeiten von Peter Handke und Christoph Schlingensief. Die Publikation entspricht der Dissertation, die Knapp 2013 an der Freien Universität Berlin vorlegte.

Ist man mit dem Œuvre von Peter Handke und Christoph Schlingensief vertraut, verwundert es kaum, dass Knapp in ihrer Studie die beiden Künstler als exemplarische Beispiele heranzieht. Handkes literarisches Werk wird seit Jahrzehnten im Kontext seiner katholischen Prägung diskutiert. Sein Schreiben wird von Literaturwissenschaft und Feuilleton mit religiösen Schlagworten belegt—so etwa ist von einer Sakralisierung und Mystifizierung die Rede—er selbst führt Autorschaft und religiöses Schöpfertum eng. Ähnlich wie Handke reflektieren auch die Arbeiten von Schlingensief das Verhältnis von Künstler und Schöpfer. Die eigene katholische Sozialisation wurde von ihm selbst oftmals thematisiert und als wichtiger Impuls für sein ästhetisches Denken stilisiert. Einen Höhepunkt fand diese ästhetische Reflexion mit der Theaterarbeit Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir, für die er [End Page 145] den Innenraum seiner Heimatkirche nachbauen ließ. In der Forschung wurde bereits mehrfach auf die besondere Bedeutung des Religiösen für das Werk Handkes und Schlingensiefs hingewiesen. Existieren zu Handke bereits zahlreiche Studien, die mit dem von Knapp eingebrachten Begriff des Kunstreligiösen arbeiten, sind es bei Schlingensief bislang einzelne Beiträge in Sammelbänden, die nach dem Verhältnis von Religion und Ästhetik fragen.

So nachvollziehbar es erscheint, den Begriff des Kunstreligiösen auf das Werk der beiden Künstler anzuwenden, so sehr verwundert gleichzeitig die Fokussierung auf zwei Kunstschaffende solch unterschiedlicher Genres. Sind es bei Handke die Prosatexte und ausgewählte Journaleinträge, denen sich Knapp vorwiegend widmet, stehen bei der Untersuchung von Schlingensiefs Œuvre die Sprech-und Musiktheaterarbeiten im Mittelpunkt. Die Studie löst diese Verunsicherung jedoch rasch auf und beweist, dass eben dieser Blick auch ein sehr lohnender sein kann. Handke und Schlingensief dienen Knapp als exemplarische Vertreter des Kunstreligiösen, deren Gegenüberstellung die Spannbreite der ästhetischen Verfahren nachvollziehbar machen soll. Dass es der Literaturwissenschaft lerin nicht um einen Vergleich beider Künstler geht, sondern um einen möglichst weit gefassten Abriss, belegen auch der Blick auf das Gesamtwerk sowie die zahlreichen Verweise auf andere KünstlerInnen. Vorrangiges Anliegen der Studie ist die Definition des Kunstreligiösen, die so auch die Klammer der Publikation bildet.

Ausgehend von der These, dass in der zeitgenössischen Kunst zu beobachten ist, dass vermehrt auf religiöse Formen, Rituale und Stoffe zurückgegriffen wird, ohne jedoch religiöse Kunst zu machen, bringt Knapp den Begriff des Kunstreligiösen ein und fasst damit ein sehr heterogenes Spektrum zeitgenössischer Kunst zusammen (von Performance über Bildende Kunst, Literatur, Theater). Die Literaturwissenschaft lerin legt in ihrer Studie zunächst eine konzise Definition des Kunstreligiösen vor und bestimmt drei Bedingungen, die gegeben sein müssen, um von einer kunstreligiösen Ästhetik zu sprechen: “Vom Kunstreligiösen einer Ästhetik lässt sich dann sprechen, wenn erstens ein Bezug zu einer bestehenden Religion nachweisbar ist, zwei-tens die ästhetische Form nachweislich daran orientiert ist und drittens eine selbstreflexive Tendenz vorhanden ist, durch die das Religiöse in den Dienst der ästhetischen Wirkung oder der ästhetischen Form gestellt wird” (9). Dass Ästhetik und Religiöses gewisse Eigenschaften teilen, belegt Knapp mit aktuellen [End Page 146] Definitionen des Ästhetischen (Seel, Fischer-Lichte), um schließlich festzustellen, dass es v.a. Schwellenerfahrungen sind, die beiden gemein sind.

Nach dieser Einleitung, die einen fundierten Überblick über das Verhältnis von Kunst und Religion im deutschsprachigen Raum seit der Frühromantik und über die Forschungsdiskussion bietet, widmet Knapp Handke und Schlingensief jeweils ein umfangreiches Kapitel. Dabei ist anzumerken, dass sich die Studie durch eine sehr intensive und präzise Aufarbeitung der bestehenden Sekundärliteratur zu den beiden Künstlern auszeichnet, was eine fundierte Basis für ihre spezifische Analyse bietet. In den beiden Kapiteln konzentriert sich Knapp nicht nur auf eine Analyse der Texte und Aufführungen, sondern bezieht auch die Selbstinszenierung...

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