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Reviewed by:
  • Heimat/Front. Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn by Christa Hämmerle
  • Helga W. Kraft
Christa Hämmerle, Heimat/Front. Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn. Wien: Böhlau, 2014. 279 S.

Die Studie von Christa Hämmerle erscheint zeitgerecht zum hundertsten Jahrestag des Ersten Weltkriegs, dem mehr als neun Millionen Soldaten und weit mehr als sieben Millionen Zivilisten zum Opfer fielen. In acht Kapiteln analysiert sie die Rolle des Gender-Regimes, wie z.B. den Frauenanteil an dem von Österreich-Ungarn geführten Krieg, sowie die Männerrollen und den Verlust traditioneller Männlichkeit dieser Zeit. Alle Kapitel—die zwischen 1992 und 2006 schon teilweise in anderer Form veröffentlicht wurden—bringen nun gebündelt die wichtigen, bisher so vernachlässigten Gender-Aspekte jener Zeit an die Öffentlichkeit. Viele Einzelthemen werden hervorgehoben. Zum Beispiel sind da die Gewalterfahrungen von Kriegskrankenschwestern, sowie die Kriegserfahrungen, die sich in Feldpostbriefen zwischen Eheleuten niedergeschlagen haben. Besondere Aufmerksamkeit erhalten Frauenhilfsaktionen an der sogenannten “Heimatfront.” Hämmerle stellt fest, dass noch immer nicht der Anteil von Frauen in Österreich am Kriegsgeschehen hinreichend aufgearbeitet worden ist. Sie weist darauf hin, dass monarchieweit schließlich schon im Frühjahr 1917 zwischen 33.000 und 50.000 als weibliche Hilfskräfte für die Armee [End Page 107] im Felde eingesetzt waren. Diese Zahl stieg in den folgenden Kriegsjahren erheblich. Interessant sind auch die Details, die von der Militarisierung von Frauen-und Mädchen-Handarbeiten an der “Heimatfront,” besonders auch in den Schulen, zeugen, sowie die Propaganda, die zu dem staat-lichen “Liebesgaben”-Programm von Frauen für die Soldaten führte. Emotionale Befindlichkeiten, wie zum Beispiel Mutterliebe, Zuneigung und Treue, wurden ganz bewusst funktionalisiert. Das Ministerium des Innern sprach von den “weiblichen Edelwaff en der Liebe und Barmherzigkeit, der Selbstaufopferung des Fleißes” der Frauen. Die Rollen waren klar verteilt. Während die Männer im Feld kämpft en, sollten sie die Frauen an der Heimatfront unterstützen. Das war aber nicht ganz so: In einem der inter-essantesten Kapitel stellt Hämmerle fest, dass Frauen Männerarbeit übernahmen, und dass auch die Krankenschwestern an der Front die Erlebnisse der Soldaten teilten. Besonders das Bild der Krankenschwester bedürfe auf Grund seiner Ambivalenz noch einer Präzisierung durch weitere Forschung. Hämmerle stellt heraus, dass die Frau in dieser Rolle einerseits als “Engel in Weiß” bzw. als “Mutt er des kranken Kriegers” aufs Höchste verehrt, andererseits aber durch gegenläufige Bilder verunglimpft wurde. Im negativen Sinne erscheinen sie stark sexualisiert als ausbeuterische Vamps oder werden auf andere Weise abgewertet. Warum die tatsächliche Traumatisierung von Krankenschwestern weder beachtet noch erforscht worden ist, wird daran erkannt, dass kaum veröff entlichte Selbstzeugnisse existieren. Hämmerle erinnert fairerweise daran, dass es auch kaum Veröff entlichungen von Mannschaft ssoldaten gibt. Kriegserinnerungen wurden hauptsächlich von Angehörigen der höheren Ränge veröff entlicht. Es gibt glücklicherweise private, nicht publizierte Schrift en von Frauen, die noch weiterhin ausgewertet werden sollten, wie z.B. die autobiografischen Aufzeichnungen von Agathe Fessler (1919), Hermine von Sonnenthal (1919) und Eveline Hrouda (1935). Hämmerle ist der Meinung, dass viele dieser Autorinnen sich in ihren Texten an hegemoniale Muster orientiert haben und in ihren Kriegserinnerungen in der “Vergesellschaft ung von Gewalt” verwickelt waren. Diese Aufzeichnungen seien von “Spannungsbögen bestimmt gewesen, die aus den Antagonismen resultieren, denen die Kriegskrankenschwestern ausgesetzt waren—gleichgültig ob sie das wahrnahmen und schrift lich reflektierten oder nicht.” Es geht aus Dokumenten hervor, dass Frauen auf Grund ihrer traumatischen Kriegserlebnisse 1914/18 zu einer Ablehnung des Krieges kamen. Jedoch passten diese Gedanken nicht in die österreichische [End Page 108] Deutungsmuster und Ordnungsvorstellungen der Nachkriegsgesellschaft. Während des Kriegs war eine veritable “Geschlechterunordnung” entstanden, das heißt, althergebrachte Rollenmuster und vorausgesetzte essentielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden oft umgekehrt. Diese Vorstellungen sollten nun den alten Mustern wieder weichen, und so wurde in der Nachkriegszeit in Österreich das alte Gender Regime schnell wieder zurückgeholt. Die Frauen an der Heimatfront, die im Krieg wohl oder übel männliche Rollen übernehmen mussten, wurden wieder zurück an den Herd gedrängt, und damit erlosch auch das öffentliche Interesse an ihren...

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